Von diesen Grundsätzen überzeugt, entschied sich Gloria Pfennig, ihr Glück zu versuchen und bewarb sich online. „Klassiker“ wie Körperhöhe, Maße, Schuhgröße, Augenfarbe, Haarfarbe und Haarlänge wurden abgefragt. „Zu guter Letzt sollte ich beantworten, was mich besonders macht. Darüber musste ich, um ehrlich zu sein, nicht lange nachdenken“, blickt das Model zurück. „Ich versuche mich zu lieben, trotz vieler Widerstände, die ich in meinem Leben erfahren habe. Während meiner Schulzeit und auch noch danach waren Mobbing, Ausgrenzung und Bodyshaming an der Tagesordnung.“
Zum Teil sind Hassnachrichten auf Gloria eingeströmt, besonders über Social Media. Das hat ihrem Selbstwertgefühl sehr stark geschadet. „Ich habe mich selbst nicht wohl gefühlt, weil ich dauerhaft negatives Feedback bekam.“
Dass die 27-Jährige ihre negativen Erfahrungen so offen geteilt hat, schien bei Fräulein Kurvig gut angekommen zu sein. Denn Gloria wurde unter 1.700 Bewerbern ausgewählt und als eine von 100 Frauen (und Männern) zum Casting eingeladen. Gloria musste vor der Jury auf dem Laufsteg gehen, sich vorstellen und ein Talent präsentieren. Sie hat den Musical-Song „Vielen Dank für die Blumen“ aus „Ich war noch niemals in New York“ vorgetragen.
Während das Modeln für die 27-Jährige kein Problem darstellte, war sie beim Singen so nervös, dass sie fast den ganzen Text vergaß. Aber es ging auch nicht darum, das Talent perfekt vorzuführen. Im Gegenteil: Die Jury wollte sehen, wie sich die Bewerber präsentieren und mit Misserfolgen umgehen können. Persönlichkeit war hier in erster Linie gefragt. „Das Casting war eine riesengroße Herausforderung für mich. Ich habe wirklich einen Moment lang gezweifelt, ob ich mich überhaupt traue, dort hinzugehen. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe.“
Einige Tage später kam der alles entscheidende Anruf: Gloria ist dabei; sie wird Model im Plus-Size-Kalender 2023. „Ich habe mich tierisch gefreut, einfach weil ich nicht damit gerechnet habe. Die Gefühle haben mich regelrecht überwältigt. Da ist auch die ein oder andere Träne geflossen.“
Auch die Reaktionen in Glorias Umfeld waren durchweg positiv. Familie, Freunde und Arbeitskollegen haben sie bestärkt. Über Instagram bekommt das Curvy-Model zig Nachrichten von Frauen und jungen Mädchen, die sich bei der 27-Jährigen bedanken – dafür, dass sie sich so zeigt, wie sie ist. Das sei für die Arnsbergerin Bestätigung pur. „Mir haben in meiner Jugend Vorbilder gefehlt. Ich freue mich, dass ich junge Mädchen und Frauen erreiche“, unterstreicht Gloria Pfennig. Und weiter: „Ich habe gelernt, dass Selbstzweifel unbegründet sind. Egal in welchem Alter ihr seid, egal welchen Körper ihr habt, egal wie ihr ausseht und egal ob ihr Schönheitsmakel habt: Ihr seid wunderschön – auch ohne irgendwelche Filter. Im Endeffekt ist es der Charakter, der einen Menschen ausmacht. Ein Mensch ist mehr als die Hülle, in der er sich bewegt.“
Sich selbst zu akzeptieren – das ist natürlicher leichter gesagt als getan. Viele Menschen sind regelrecht immer wieder von Selbstzweifeln geplagt. Das Curvy-Model rät ihnen, sich realistische Vorbilder zu suchen. „Schaut bei Social Media nicht nach schlanken Models oder Fitnessinfluencern. Sucht euch Menschen, die so sind wie ihr. Das gibt euch Mut und Selbstbewusstsein.“
Aber zurück zu Gloria. Sie hat sich bereits für den nächsten Fräulein Kurvig Kalender beworben. Nun möchte sie sich – anders als in diesem Jahr – aktiv vorbereiten, unter anderem indem sie an einem Workshop zum Thema „Catwalk-Training“ teilnimmt. „Vielleicht kann das Modeln ja mehr sein, als nur ein Hobby. Meinen normalen Beruf werde ich aber niemals an den Nagel hängen. Das Modeln soll nur ein zweites Standbein sein.“
Und wenn es mit der Modelkarriere doch nichts wird, sei das auch kein Weltuntergang. „Ich kann dann zumindest zurückblicken und weiß, dass es die geilste Erfahrung war, die ich jemals in meinem Leben gemacht habe.“
Wie es mit Gloria Pfennig aus Arnsberg und ihrer Karriere weitergeht, können Interessierte auf ihrer Instagram-Seite my.glitterlife mitverfolgen. Dort hält sie ihre inzwischen rund 1.400 Abonnenten auf dem Laufenden.