Selbsthilfegruppe der Schwerhörigen bietet Austausch und Rat

Arnsberg/Hochsauerland. Musik hören, mit anderen Menschen reden, ihnen zuhören, Geräusche wahrnehmen – alles eigentlich selbstverständlich. Kaum jemand mit funktionierendem Gehör kann sich vorstellen, dies alles nicht mehr ohne Hilfsmittel zu können. Unvorstellbar, den Klang der Lieblingsmusik nicht mehr so zu hören, wie man es gewohnt war oder die Handlung eines Films nicht mehr richtig verfolgen zu können. Die Selbsthilfegruppe der Schwerhörigen versucht, durch Austausch untereinander oder auch gelegentliche Vorträge zum Thema, Probleme aufzufangen und womöglich zu lösen.
Die Atmosphäre ist locker, es wird viel gelacht. Wenn allerdings jemand sprechen möchte, herrscht sofort Stille im Raum. Schriftführerin Martina Hörster erklärt, es sei kein Problem, sich mit einem Gegenüber zu unterhalten, wenn allerdings eine Gruppe zusammen sei und mehrere gleichzeitig reden, sei eine Verständigung kaum noch möglich. Jeder der sprechen will, nimmt sich das Mikrofon und spricht hinein. Im Raum gibt es eine Ringschleife, die es ermöglicht, dass drahtlos über das Hörgerät Gesprochenes oder Musik besser zu hören ist. „Durch das Mikrofon entgehen wir dem Hörstress. Es ist sonst unglaublich anstrengend, über eine längere Zeit zu reden und zuzuhören“, erläutert Martina Hörster. „Wenn sich der Zuhörer uns zuwendet und wir von den Lippen ablesen können, ist es eine zusätzliche Erleichterung“.
Cornelia Schloetmann, stellvertretende Vorsitzende, bemüht sich zu erklären, wie es ist, einer Unterhaltung zu folgen. „Das Wort kommt nicht vollständig an, es fallen Buchstaben raus, der Rest ist kombinieren, was der andere gesagt hat“. Zweifellos eine anstrengendes Leben. „Die Körpersprache spielt auch eine große Rolle.“
An diesem Nachmittag sind in der Selbsthilfegruppe Menschen da, die an einer mittelgradigen Schwerhörigkeit leiden, aber auch Personen, die an der Taubheitsgrenze stehen. Martina Hörster weist auf den Erwartungsdruck von Außenstehenden hin, dass Schwerhörige die Gebärdensprache erlernen sollen. „Aber das ist keine Hilfe für uns. Wir können ja noch hören, wenn auch mit Hilfsmitteln“. Einige in der Runde tragen ein sogenanntes Cochlea-Implantat. (siehe Info). Eine große Hilfe für die, die an der Taubheitsgrenze leben, ist die Schriftdolmetscherin. Sie schreibt jedes Wort auf dem Computer mit. Auf einem Monitor an der Wand erscheint das Gesprochene. Somit kann Christoph Hüster – auch er hat ein Cochlea-Implantat – das Gespräch verfolgen. Auch im Büro hilft ihm ein Schriftdolmetscher.
Es sind die Geschichten jedes Einzelnen, die dem Zuhörer vor Augen führen, was es heißt, nicht mehr richtig zu hören. Diejenigen, die schon von Kindheit an schwerhörig sind, erzählen von der Schule, dass sie in der ersten Bank gesessen haben, um überhaupt etwas mitzukriegen. Manchmal freiwillig und manchmal wurden sie dazu aufgefordert. Cornelia Schloetmann erinnert sich: „Der Lehrer hielt mich zuerst für besonders aufmerksam, weil ich scheinbar so gut zuhörte. Dabei war es eine ungeheure Anstrengung, überhaupt etwas mitzubekommen“. Bei vielen hat es sehr lange gedauert, bis Eltern oder Lehrer darauf kamen, dass etwas nicht stimmt.
„Die Hörgeräte können nicht alles“
Bis auf einige wenige sind es durchweg ältere Menschen, die zu der Selbsthilfegruppe kommen. „In jungen Jahren kann man die Schwerhörigkeit oft noch überdecken“, erklärt Martina Hörster. „Das wird mit den Jahren immer schwieriger. Man braucht einfach mehr Ruhepausen, um wieder Kraft zu sammeln“, erklärt die Entwicklungsingenieurin. Man gerate oftmals in eine Art Verstehstress und dadurch überfordere man sich. Andere, die erst im Erwachsenenalter schwerhörig geworden sind, erzählen davon, dass sie auf einmal nicht mehr für voll genommen werden. „Dann kommen auch noch die Depressionen hinzu“, erklärt Christiane. Nach der Geburt des Kindes, durch familiäre Veranlagung, durch einen Militärunfall, durch Schlaganfall oder Hirnhautentzündung, die Geschichte der Schwerhörigkeit hat viele Facetten. Annemarie spricht wohl für viele in der Runde: „Die Hörgeräte können nicht alles. Das Telefonieren ist schwierig für mich und bei der Musik fehlen viele Töne“. Was sie sich alle wünschen, sind mehr Ringschleifen (Induktionsschleifen) in öffentlichen Gebäuden – und es wäre eine große Hilfe, wenn mehr Filme untertitelt würden. Was sie im Moment brauchen, ist eine neue Schriftdolmetscherin. Denn sonst würde ein wichtiges Hilfsmittel verlorengehen. Wer sich zutraut, Gesprochenes mitzuschreiben und dies auch mitzudenken, kann sich an den unten angegebenen Kontakt wenden.
Info:
Das Cochlea-Implantat ist eine künstliche Nachbildung der Ohrschnecke. Elektroden werden in die Hörschnecke eingeführt. Die Empfangsspule wird unter der Haut platziert. Die Sendespule haftet mit Magneten über der Kopfhaut. Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden zweiten Freitag im Monat im Bürgerzentrum Arnsberg in der Zeit von 17.30 bis 19.30 Uhr. Leiterin ist Cornelia Schloetmann, % 01 75/9 41 58 60, E-Mail: schloetmann@lotsen-nrw.de