1. SauerlandKurier
  2. HSK
  3. Arnsberg

Video sorgt für Empörung: Auseinandersetzung im Bus – Polizei vor Ort

Erstellt:

Von: Stefanie Nöcker

Kommentare

Video sorgt für Empörung Auseinandersetzung im Bus in Neheim Betroffene äußern sich
Murat und Deniz Turan wollten mit dem Bus fahren, aber es kam zu einer Auseinandersetzung mit dem Fahrer (für Vollbild oben rechts klicken). © Privat

Auf Instagram ist kürzlich ein Video aufgetaucht, das für Aufsehen sorgt. Mittlerweile wurde es 63.356 Mal aufgerufen und 354 Mal kommentiert. In der Buslinie C1 am Engelbertplatz in Neheim kam es zu einer Auseinandersetzung in einem Bus. Im Mittelpunkt stehen neben dem Busfahrer ein Rollstuhlfahrer, seine Begleitperson und weitere Fahrgäste. Auch die Polizei war vor Ort.

Neheim – Der SauerlandKurier hat mit einem Betroffenen, der RLG und der Polizei gesprochen.

Im Kern drehten sich die Streitigkeiten um die Maskenpflicht, die bekanntlich noch immer in Bussen und Bahnen gilt.

Die ungeklärte Frage ist: Wer hat wann eine Maske getragen – und wann nicht? Der Busfahrer wurde in diesen Minuten, bevor das Video entstand, gleich zwei Mal innerhalb weniger Minuten mit dem Thema Maskenpflicht kontrolliert. Der Urheber des Videos, Murat Turan, und sein schwerbehinderter Bruder Deniz Turan dagegen fühlen sich zu Unrecht beschuldigt. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Schilderungen, auf die der SauerlandKurier im Verlauf seiner Recherchen gestoßen ist.

Das sind die Vorwürfe

Wenn man jetzt mit Murat Turan spricht, ist er noch immer genau so empört wie zum Zeitpunkt, als er vor etwa zehn Tagen das Video bei Instagram gepostet hat. Er spricht von einem „unfassbaren, menschenverachtenden Vorfall“, schildert diesen auch in einem entsprechenden Beschreibungstext und etliche Kommentierende pflichten ihm in dem sozialen Netzwerk bei. Dabei zeigt das Video nicht die eigentlichen Vorfälle oder einen Verweis aus dem Bus, sondern nur ein Streitgespräch mit der Polizei, nach dem mehrere Fahrgäste geschlossen und augenscheinlich aus Solidarität den Bus verlassen und an der Bushaltestelle auf die Beamten einreden.

So bleibt Raum für Spekulationen, was wirklich passiert ist – und eben für die unterschiedlichen Berichte der Betroffenen. Murat Turans Version ist diese: Er habe an diesem Tag mit seinem zu 100 Prozent schwerbehinderten Bruder, für den er seit dem Tod der Mutter die Vormundschaft übernommen hat, Bus fahren wollen. Er, Murat Turan, sei an diesem Tag etwas spät dran gewesen und habe leider seinen Mund-Nasenschutz vergessen. Der Busfahrer habe sich geweigert, hinten die Tür für den Rollstuhl zu öffnen und verwies auf die Maskenpflicht. Als ein Fahrgast erst Murat und dann Deniz mit einer Maske aushelfen wollte, habe er, der Fahrer, etwas dagegen gehabt und die helfende Frau „in einem nicht angemessenen Ton angeraunzt“. Ein weiterer Mitfahrer, der in den anderen Versionen noch eine gewichtigere Rolle spielen wird, habe sich eingeschaltet. „Irgendwann hat der Fahrer die Türen hinten dann doch geöffnet. Zwei Mädchen haben uns Masken gegeben. Ich habe mir und auch Deniz eine aufgesetzt“, sagt Murat Turan.

Im Bus sei der Mund- und Nasenschutz von Deniz „kaputt gegangen“. „Deniz bekommt darunter keine Luft. Er braucht generell keine Maske. Noch nie hat ein Busfahrer gesagt, dass er eine tragen muss. Das war der erste“, berichtet Turan. Er habe daher gesagt, dass sein Bruder die Maske nicht auflasse. Auf einmal habe der Busfahrer losgeschrien. Mehrere Fahrgäste hätten daraufhin auf den Busfahrer eingeredet, bis dieser gemeint habe, dass der schwerbehinderte Deniz Turan doch keine Maske bräuchte. Der Fahrer habe danach trotzdem die Polizei verständigt und erst den Fahrgast, der sich zu Beginn eingeschaltet hatte, und anschließend ihn und Bruder Deniz des Busses verwiesen. Deniz’ epileptischen, laut Murat Turan sogar lebensbedrohliche Anfälle, habe die Polizei ignoriert und auch der Vorwürfe der Fahrgäste hätten sich die Beamten nicht angenommen. Einige Tage später habe Turan sich auf den Weg zur RLG gemacht – aber auch hier ohne ein für Turan zufriedenstellendes Ergebnis oder gar einer Entschuldigung des Busfahrers.

In der vergangenen Woche hat Murat Turan Post von der Polizei bekommen: Der Busfahrer hat ihn angezeigt. „Ich habe den Busfahrer nicht beleidigt“, beteuert Murat Turan. „Mein Bruder, der zu 100 Prozent körperlich und geistig schwerbehindert ist, hat sogar eine Vorladung bekommen“, so Turan verständnislos.

Das sagt die RLG

Die Situation stelle sich, nachdem die RLG sie geprüft habe, etwas anders dar, als sie in dem Video geschildert wurde, sagt Alexandra Schäfer vom Verkehrsmanagement der RLG. „Es gab ein paar Haltestellen vorher, am Busbahnhof Neheim, einen Fahrgast, der ohne Maske einsteigen wollte. Unser Fahrer hat ihn darauf hingewiesen, dass er eine Maske aufsetzen müsse. Nach einem kleinen Disput hat der Fahrgast sie dann auch widerwillig aufgesetzt“, berichtet Alexandra Schäfer.

Einige Haltestellen weiter, am Engelbertplatz, habe eine Begleitperson mit einer Person im Rollstuhl – ebenfalls ohne Maske – einsteigen wollen. Auch hier sei es zu einer kleinen Diskussion mit dem Fahrer gekommen, weil die beiden auch keine Maske hätten aufziehen wollen. „Ein weiterer Fahrgast hat den beiden eine Maske angeboten und dann wurde es von Herrn Turan so geschildert, dass unser Fahrer das nicht wollte. Das war definitiv nicht der Fall“, so Schäfer weiter. Der Fahrer habe nach den Worten von Alexandra Schäfer gesehen, dass die Person im Rollstuhl Probleme mit dem Mund- und Nasenschutz hatte. Der Fahrer habe der Person im Rollstuhl daher angeboten, die Maske nicht tragen zu müssen. „Daraufhin hat sich eine Diskussion über die Maskenpflicht entfacht – auch mit dem Fahrgast, der ein paar Haltestellen vorher eingestiegen war. Es wurde sehr aggressiv. Unser Fahrer wurde von Herrn Turan und der anderen Person beleidigt und bedroht“, sagt Schäfer.

Der Busfahrer habe die Polizei gerufen, weil er die Situation nicht mehr habe beruhigen können. „Die Polizei hat alle Betroffenen zur Klärung des Sachverhalts aus dem Bus gebeten. In dem Bereich setzt das Video ein, wo dann eben der Eindruck entstehen soll, dass unser Fahrer einer behinderten Person die Mitfahrt verboten hat. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Es ging eher gegen den Fahrgast, der ein paar Haltestellen vorher eingestiegen ist, und gegen die Begleitperson des Schwerbehinderten.“

Alexandra Schäfer bestätigt, dass es in der vergangenen Woche auf dem Betriebshof „ein Gespräch zwischen Murat Turan und einem Kollegen“ gegeben habe. „Aus der Sicht unseres Kollegen verlief das auch sehr konstruktiv und einvernehmlich.“

Das sagt die Polizei

Laut Laura Burmann von der Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis, Leitungsstab, Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, ging es für die Beamten um die Durchsetzung des Hausrechts des Busfahrers: „Busfahrer können einem Fahrgast die Mitfahrt verweigern, wenn dieser ohne Maske mitfahren möchte. Und aufgrund dessen ist dieser Streit entfacht. Die Stimmung war vor Ort sehr aufgeheizt.“

Die Beamten wurden zur Bushaltestelle an der Engelbertstraße in Neheim gerufen. Hintergrund seien Streitigkeiten und Beleidigungen zum – Zitat – „Nachteil des Busfahrers“ gewesen, der daraufhin einen Fahrgast des Busses verweisen wollte. Die eingesetzten Polizisten hätten vor Ort die Personalien der Beteiligten und einige Zeugenaussagen aufgenommen. Sie hätten Murat Turan aus dem Bus gebeten, um den Sachverhalt außerhalb dieses engen Raumes zu klären. Weitere Personen seien nicht des Busses verwiesen worden. „Das richtete sich nicht gegen den Rollstuhlfahrer. Es ging alles nur gegen den Beschuldigten in dieser Streitigkeit“, erklärt Burmann.

Fest steht: Es gibt nach diesen Vorfällen zwar viel Empörung, aber bis dato nur eine Anzeige bei der Polizei. Und die richtet sich wegen Beleidigungen gegen Murat Turan.

Auch interessant

Kommentare