Arztsuche wird zur Odyssee: Julia Schönewolf aus Alme muss für vierköpfige Familie Hausarzt finden

Akuter Hausärztemangel in Brilon: Nach dem plötzlichen Tod vom Briloner Hausarzt Dr. Michael Reiß und der angekündigten Schließung der Praxis von Dr. Winfried Muffert, der nach 40 Jahren in den Ruhestand geht, spitzt sich die Situation weiter zu. Wo sollen die Patienten unterkommen?
Brilon/Alme – Keine einfache Aufgabe, denn freie Plätze in den übrigen Praxen in Brilon sind rar und die Kapazitäten der Ärzte eben auch nicht unendlich.
Diese Erfahrung musste auch die Almerin Julia Schönewolf machen. „Bei uns stellt es sich so dar, dass wir mit insgesamt vier Leuten einen neuen Hausarzt benötigen“, erklärt die 34-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Angefangen von meinem elfjährigen Sohn Liam, für mich, meine Mutter und unsere 90-jährige Oma.“
Suche in anderen Städten
Dass es kein leichtes Unterfangen wird, war der jungen Mutter von Anfang an klar, aber welche Odyssee sich daraus entwickelt würde, hat sie dann doch nicht so erwartet. „Da ich schon damit gerechnet hatte, dass in Brilon jetzt ein Run auf die verbliebenen Hausarztpraxen los geht, habe ich in Olsberg bei dem Hausarzt meines Vaters mein Glück versucht.“ Doch diese Praxis sei bereits durch die Übernahme von Patienten einer geschlossenen Briloner Praxis stark frequentiert gewesen, sodass nur eine Notfallversorgung möglich wäre. Aber die Familie sucht eine persönliche Hausarztpraxis.
Unzählige Telefonate und immer wiederkehrende Bitten
Bei den Anfragen in Briloner Arztpraxen war es überall der gleiche Tenor. „Mit der angekündigten weiteren Schließung der Praxis von Dr. Muffert drängt dazu jetzt das nächste Problem auf den Briloner Arztpraxenmarkt“, resümiert Julia Schönewolf. „Deshalb habe ich mich, da ich in Alme wohne, in Richtung dem benachbarten Bad Wünnenberg orientiert. Doch auch hier bin ich überall auf die gleichen Probleme gestoßen. Nach langer Suche, unzähligen Telefonaten, der immer wiederkehrenden Bitte um Aufnahme in die Patientenkartei bin ich schließlich in einer Gemeinschaftspraxis in Marsberg fündig geworden.“ Ein Kennenlerntermin ist anberaumt, damit sich Arzt und die vier neuen Patienten im Vorfeld bereits bekannt machen können. Ein Stein ist der Fachfrau im Gesundheitssektor vom Herzen gefallen. Auch wenn Abstriche gemacht werden mussten: „Man muss sich im Klaren darüber sein, welche Strecke jedes Mal für einen Arztbesuch zurückgelegt werden muss“, gibt Julia Schönewolf zu bedenken: „Auch werden keine Hausbesuche angeboten. Für mich völlig nachvollziehbar, denn wie soll es für einen Arzt zusätzlich zu den massiv gestiegenen Patientenzahlen überhaupt noch möglich sein, solche Strecken in den Tagesplan mit einzubauen? Wir sind mehr als froh, eine neue Hausarztpraxis gefunden zu haben.“
Doch bis dahin stehen noch weiteren Aufgaben an. „Jetzt muss ich schauen, wie ich an die Krankenakten und Unterlagen für uns vier herankomme“, so Julia Schönewolf. „Damit muss ich mich als nächstes beschäftigen. Es ist alles so zeitintensiv, da man ja auch nicht immer sofort einen Ansprechpartner erreicht.“
Ich sehe aber auch die chronisch kranken Patienten, die regelmäßig und intensiv betreut werden müssen. Ich denke an Bewohner von Pflege- und Senioreneinrichtungen die häufig nur mit Hausbesuchen behandelt werden können. Was ist zukünftig mit diesen umfangreichen Bedürfnissen?
Dann kommt die medizinische Fachfrau bei ihr durch: „Für mich als eigentlich gesunder Mensch, der ab und zu mal ein Rezept oder maximal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung braucht, ist es ja relativ einfach. Ich sehe aber auch die chronisch kranken Patienten, die regelmäßig und intensiv betreut werden müssen. Ich denke an Bewohner von Pflege- und Senioreneinrichtungen die häufig nur mit Hausbesuchen behandelt werden können. Was ist zukünftig mit diesen umfangreichen Bedürfnissen?“
Und sorgenvoll ergänzt sie: „Mir stellt sich weiterhin die Frage, wie viele zukünftig in die ambulanten Notfallaufnahmen kommen, die da eigentlich nicht sitzen müssten?“ Auch wenn sich bei ihrer persönliche Suche nach einer neuen Hausarztpraxis eine Lösung abzeichne, sei die derzeitige Misere kein Problem der Zukunft, sondern der realen Gegenwart.
Wie geht es weiter?
Schon seit Längerem beteiligt sich die Stadt an Initiativen wie „Komm aufs Land.Arzt“ oder „Local Hero“, um junge Ärzte nach Brilon zu holen. Wie die Stadt auf den aktuellen, akuten Ärztemangel reagiert, erfahren Sie in der kommenden Ausgabe des SauerlandKurier.