„Die forstlichen Gene sind mir in die Wiege gelegt“: Der neue Forstleiter Udo Häger im Interview

Udo Häger hat am 1. April offiziell seinen Dienst als neuer Leiter der Briloner Stadtforstbetriebes in der Stadt des Waldes angetreten. Zuletzt fungierte der 53-jährige als stellvertretender Leiter im Forstamt Oberhof in Thüringen.
Brilon – Der gebürtige Lichtenauer – dort, wo nach Madfeld nun im Zwei-Jahres-Rhythmus die DLG-Waldtage stattfinden – wird ab jetzt die Geschicke im Briloner Stadtforst leiten. Im Gespräch mit dem SauerlandKurier spricht der Forstamtsleiter über seine Wurzeln, seine neue Stelle in Brilon, Kahlschläge und Wiederbewaldung, Herausforderungen der Zukunft und, dass er für Kritik immer offen ist.
Herr Häger, stellen Sie sich doch mal unseren Lesern vor!
Mein Name ist Udo Häger, ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Als 69er Jahrgang des letzten Jahrhunderts bin ich in der waldreichen Südegge im Lichtenauer Ortsteil Holtheim aufgewachsen.
Forstleute gibt es in meiner Ahnenreihe einige. Mein Großvater war Revierförster im Privatwald, mein Onkel hat diesen Betrieb nach ihm übernommen. Mein Großonkel leitete ein Kommunalwaldrevier im Raum Bad Driburg und mein Vater war von Berufs wegen Holzkaufmann sowie passionierter Jäger und Hundeführer. Wenn man so will, sind mir die forstlichen Gene in die Wiege gelegt.
Nach dem Abitur am Gymnasium Theodorianum in Paderborn 1988 und zwei Jahren Bundeswehr bei den Pionieren in Höxter an der Weser verschlug es mich 1991 zum Forststudium nach München. Als ich im Jahr 1996 mein Studium in München abgeschlossen hatte, stand die Frage für mich im Raum, in welchem Bundesland ich mein Referendariat absolvieren könnte. Da viele Forstverwaltungen in den alten Bundesländern in dieser Zeit ihre Aufbauorganisationen verschlankten und die Einstellungskorridore für den höheren Forstdienst sehr gering oder gar nicht mehr vorhanden waren, entschied ich mich für einen Wechsel in die neuen Bundesländer und beschritt meinen weiteren forstlichen Werdegang im Freistaat Thüringen. Mein Referendariat absolvierte ich im Thüringer Teil der Rhön, war im Anschluss daran ein dreiviertel Jahr freiberuflich als Waldbiotopkartierer tätig und wurde schließlich im April 1999 unbefristet in den Landesdienst übernommen.
In der Thüringer Landesforstverwaltung war ich am Standort Gotha vornehmlich in dem großen Themenfeld Waldentwicklung und Schalenwildmanagement beschäftigt. In den vergangenen acht Jahren war es mir vergönnt, auf dem Dach Thüringens in Oberhof als Teil der Forstamtsleitung die forstlichen Geschicke am Rennsteig mit zu gestalten.
Was reizt Sie besonders daran, diese Stelle hier in Brilon anzunehmen?
Die Stadt Brilon besitzt den größten Kommunalforstbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Betrieb spiegelt viele Verhältnisse wider, wie wir sie in vielen Forstbetrieben Mitteleuropas vorfinden. Der Klimawandel schlägt mit all seinen Härten zu. Waldbilder und damit auch das Landschaftsbild ändern sich ständig. Die Fichte hat der Borkenkäfer nahezu in Brilon aufgezehrt. In vielen Teilen Deutschlands, Gottseidank noch nicht in Brilon, zeichnet auch die Buche schon deutlich. Das alles sind Rahmenbedingungen, die einem Forstmann natürlich einerseits in Mark und Bein treffen, andererseits erforderlich machen, jetzt die Initiative zu ergreifen, mit einer bunten Mischung an Baumarten den Wald der Zukunft zu gestalten und ihn langfristig in einen stabilen, klimaangepassten Dauerwald zu überführen. Dies hat sich die Stadt Brilon in einem breiten Konsenspapier auf die Fahnen geschrieben und das ist natürlich eine sehr gute Basis für mich, um sich jetzt meinerseits in diesen Prozess einzubringen. Wir vom Forstbetrieb müssen nun dafür Sorge tragen, dass das Konzept „Wald der Zukunft“ kein Lippenbekenntnis bleibt, sondern mit Inhalt und Leben gefüllt wird.
Sie übernehmen einen Forstbetrieb, der nach den aus den bekannten Gründen notwendig gewordenen Kahlschlägen, nur noch über einen Bruchteil des bisher dagewesen Bestands verfügt. Was bedeutet das für Sie?
Für mich ist das zunächst einmal, wie eine Reise in die Zukunft. Während ich als Mitarbeiter des Oberhofer Forstamts noch alles drangesetzt habe, die Fichte am Rennsteig zu halten, sind in Brilon diese enormen Wald- und damit auch Vermögensverluste schon bittere Realität geworden. Das macht nicht nur etwas mit den Menschen in der Region, sondern vor allem auch mit denen, die unmittelbar mit dem Wald und seiner Bewirtschaftung betraut sind. Für mich ergeben sich daraus zwei Grundrichtungen meines Wirkens hier in Brilon, einmal in den Betrieb hinein, und natürlich nach außen in Richtung aller Akteure, die Ansprüche und Erwartungshaltungen gegenüber dem Wald und seine Bewirtschaftung haben.
Wohin werden Sie die Schwerpunkte ihrer neuen Aufgabe legen?
Der Schwerpunkt liegt klar auf der Wiederbewaldung der Kahlflächen. Mein früherer Abteilungsleiter Waldbau in Gotha prägte einmal den Ausdruck: „Wer streut, rutscht nicht.“ Das bedeutet, dass wir deutlich mehr Baumarten in den zukünftigen Wäldern brauchen, gleichzeitig aber auch, dass wir viel kreatives Gedankengut in die Walderneuerung einbringen müssen.
Was sehen Sie als besondere Herausforderung bei Ihrer neuen Aufgabe?
Die Waldwende, so wie sie die Briloner Akteure in dem Grundsatzpapier „Wald der Zukunft“ postulieren, wird ohne eine vorgeschaltete wirksame Anpassung der Jagdstrategie und der Jagdausübung nicht funktionieren. Es gilt insbesondere die Briloner Jäger in den Wald der Zukunft, in dem natürlich auch ihre Kinder und Enkel noch jagen sollen, mitzunehmen. In Oberhof ist es uns gelungen, mit ausgeklügelten Konzepten, den jagdlichen Druck von der Fläche zu nehmen, gleichzeitig aber auch die Strecke zu steigern. Einen Großteil der Strecke realisierten dabei motivierte, private und ortsansässige Jäger. Den „Modus operandi“ der Jagdausübung werden wir hier zukünftig stärker in den Fokus nehmen müssen. Letztendlich zeigt der Wald, insbesondere der junge Wald, ob die Jagd stimmt.
Welche Chancen bieten sich durch die erforderlich gewordenen Rahmenbedingungen für einen Wald der Zukunft?
Zunächst einmal bieten die großen Kahlflächen die Chance für einen groß angelegten Baumartenwechsel hin zu mehr Klimaresilienz und damit Stabilität. Doch wo Chancen sind, lassen die Risiken nicht lange auf sich warten. Welches Klimaszenario sich in 100 Jahren einstellt, wissen wir nicht genau, müssen aber die Entscheidung, welche Baumarten wir auf die Fläche bringen, schon heute treffen. Je breiter aufgestellt wir an diese Entscheidung heran gehen, desto eher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir „nicht rutschen“.
Was möchten Sie gerne ganz persönlich an die Bürger der Stadt Brilon richten?
Meine Bitte an die Briloner Bürger wäre die: Bringen Sie sich weiter aktiv in die Entwicklung Ihres Stadtwaldes mit ein. Wo immer wir uns begegnen in der Stadt, den Ortsteilen oder auch im Wald, stellen Sie mir ein Bein und fragen Sie, äußern Sie auch gerne Kritik – die aus der Südegge haben ein dickes Fell (lacht) – aber lassen Sie uns miteinander reden und nicht übereinander.