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Oberkreisdirektor (a. D.) Dr. Adalbert Müllmann feiert heute seinen 100. Geburtstag

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Von: Silke Nieder

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Oberkreisdirektor Dr. Adalbert Müllmann Brilon 100 Geburtstag
„God is myn Leydsman“: Der 100-jährige Oberkreisdirektor Dr. Adalbert Müllmann (a. D.) vor seinem farbenfrohen Fenster mit den Wappen von Papenburg, dem Altkreis Brilon und von Recklinghausen. © Silke Nieder

Dr. Adalbert Müllmann, erster und vorletzter Oberkreisdirektor des Hochsauerlandkreises, feiert am heutigen Mittwoch seinen 100. Geburtstag im Kreise seiner Familie. Fast 30 Jahre lang war der Ehrenvorsitzende des Sauerländer Heimatbundes Chef der Kreisverwaltung und hat in seiner Dienstzeit viel bewegt.

Brilon/Hochsauerland – Seit über 60 Jahren wohnt der Jubilar und einer der ältesten Bürger Brilons in der ehemaligen Kreisstadt.

„God is myn Leydsman“ steht auf dem farbenfrohen Fenster im Hausflur des Jubilars, darunter die Wappen von Papenburg, dem Altkreis Brilon und von Recklinghausen, der Heimatstadt seiner verstorbenen Frau. Das Kunstwerk mit dem alten Wahlspruch der Papenburger Seeleute kreierte der unvergessene Briloner Kunst- und Glasmaler Franz Kornemann († 1969). Sowohl der Großvater als auch der Vater von Dr. Müllmann waren Kapitäne. Das prägt. Im Interview – kurz vor seinem Geburtstag – erhielt SauerlandKurier-Mitarbeiterin Silke Nieder die Möglichkeit, mehr über das Leben eines Mannes zu erfahren, der noch den Zweiten Weltkrieg und die Vorkriegszeit erlebt hat und bei der Neugliederung der Kommunen 1975 an vorderster Front stand.

Herr Dr. Müllmann, wenn ich Sie so sehe, interessiert mich zuallererst, was man tun muss, um sich im hohen Alter einer solch außergewöhnlichen gesundheitlichen und geistigen Vitalität zu erfreuen?

Ich bin nie planlos in den Tag gestolpert. Nach meiner Pensionierung hatte ich bereits Pläne für die nächsten 10 Jahre. Ich habe zum Beispiel den Führerschein gemacht und war noch beim Sauerländer Heimatbund und der Kriegsgräberfürsorge aktiv. Heute gehe ich zweimal am Tag spazieren, meist in den Briloner Kurpark. Das hält fit. Ich lese jeden Tag Zeitungen und schreibe E-Mails, auch mit Verwandten in Amerika. Zum Glück beherrsche ich das 10-Finger-Schreiben.

Bis zu Ihrer Pensionierung 1987 waren Sie Verwaltungschef im HSK und bereits seit 1972 Vorsitzender des Sauerländer Heimatbundes bis 1998, außerdem unter anderem im Vorstand der Kriegsgräberfürsorge für ganz Südwestfalen. Was reizte Sie an diesen langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeiten?

Dem Sauerländer Heimatbund gehört mein Herz. Durch ihn konnte ich mich noch mehr mit dem Sauerland verbinden. Es war und ist mir immer wichtig, nicht nur mit Behörden zu tun zu haben, sondern mit den Menschen selbst zu sprechen. Durch den Heimatbund erhielt ich Kontakte zu den Dörfern und ihren Anliegen. Die Politik lebt auch von menschlichen Beziehungen. Ich habe mich sehr um das Plattdeutsche gekümmert, obwohl ich selbst davon keine guten Kenntnisse habe. Mit fünf bis sechs Fachleuten brachten wir ein plattdeutsches Wörterbuch heraus. Darauf bin ich sehr stolz.

Der Kreis war führend an der Gründung der Naturparke beteiligt, die niemand vorher für wichtig gehalten hat. 1961 wurde der Naturpark Arnsberger Wald, 1963 der Naturpark Rothaargebirge und 1965 der Naturpark Diemelsee gegründet. Die Sicherung der Natur in der Kernzone und die Erholung der Menschen in den Randzonen sind wichtig.

Einmal jährlich habe ich Fahrten zu Kriegsgräbern organisiert. Mein Bruder war Marinestabsarzt und ist im Krieg gefallen. Es ist schön, Erinnerungen an einen bestimmten Ort festzumachen. Das alles habe ich in meiner 2013 erschienenen Biografie „Ein Papenburger Sauerländer erinnert sich“festgehalten.

Sie haben 1975 die Altkreise Brilon, Meschede und Arnsberg zusammengeführt. War diese seinerzeit turbulente Zusammenführung im Nachhinein betrachtet sinnvoll?

Im Ergebnis war die kommunale Gebietsreform wirtschaftlich gesehen sinnvoll. Marsberg erhielt zum Beispiel vier Gemeinden vom Kreis Büren dazu. Neuastenberg und Langewiese gehören nun zu Winterberg, vorher zu Wittgenstein. Die Städte wurden größer, das hätte die kleinen Kreise erdrückt. Man denke an die heutige Wirtschaftsförderung, was Verkehrswege, die Versorgung oder Erschließungen von Gewerbegebieten betrifft.

Mit dieser Konsolidierung entwickelten sich auch langsam die inneren Beziehungen im Gemeindewesen, zum Beispiel das Stadtschützenfest. Die Gemeinden und Kreise sind schließlich nicht nur Verwaltungsgebilde. Das Eigenleben der Dörfer wurde entwickelt und gefördert. Der HSK und Brilon hatten die meisten „Golddörfer“ bei dem Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Mehr als in Bayern. Ich war in der Kreiskommission und hatte den Vorsitz in der Landeskommission dieses Wettbewerbs. Die Nähe zu den Ortschaften ist auch für die Politik wichtig. Ein gewachsenes Gemeinschaftsgefühl gibt es nur mit dem Wort „Sauerland“, nicht „Südwestfalen“. Wir sind das Land der tausend Berge, nicht das Siegener oder Wittgensteiner Land.

Des Weiteren konnte sich der Kreis im Schulwesen entfalten. Wir gründeten das Schulamt und fassten kleine Schulen zu leistungsfähigen größeren Systemen zusammen und sorgten für den Ausbau des beruflichen Schulwesens. Damit legten wir die Basis für den Weg zur Hochschule. Das berufliche Schulwesen war bei uns vorbildlich. Es war nicht mehr so tragisch, wenn man nach der vierten Klasse nicht zum Gymnasium kommt. Jetzt gab es Alternativen.

Aber im neuen Hochsauerlandkreis waren die persönlichen Kontakte auch nicht mehr so eng. Aus 63 Gemeinden wurden nach der Neugliederung sechs Gemeinden im Altkreis Brilon und zwölf Gemeinden im HSK, teilweise mit einer Vielzahl von Ortschaften.

Zu Ihrer Laufbahn. Als gebürtiger Papenburger dienten Sie im Alter von 18 bis 23 Jahren, also bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, bei der Marine. Das lag auf der Hand, da schon Ihr Vater, Großvater und Urgroßvater zur See fuhren. Weshalb wurden Sie kein Seefahrer, sondern Jurist?

Hitler schenkte den Abiturienten ein halbes Jahr, wenn sie dienten. Ich erhielt das Abitur schon mit 17. Wer hätte zu der Zeit gedacht, dass der Krieg so lange dauert? 1945 begann ich ein Jurastudium in Münster, damit ich etwas zu tun hatte. Das war der erste Studiengang, der wieder angeboten wurde. Es gab bis dahin keine Juristen in meiner Familie, nur Seemänner. Jetzt ist auch mein ältester Sohn Jurist und dessen Sohn ebenso. Die Seefahrt war nicht mehr möglich, da es in Deutschland nach dem Krieg keine Marine mehr gab.

1949 zog es Sie dann als junger Referendar nach Osnabrück in den Staatsdienst.

Im Januar 1949 hatte ich zum ersten Mal nach dem Krieg festen Boden unter den Füßen. 50 DM Gehalt, später 80 DM, waren eine Grundlage zum Leben. Man glaubt nicht, wie schön das für mich war, mir eine gute Suppe im Lokal für 80 Pfennig leisten zu können. Als Referendar musste ich einmal den Landkreis Osnabrück vertreten. Dieser wollte den Film „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef verbieten. Das war 1951 ein bundesweiter Skandal, der durch die Presse ging. Am Ende kam ein Vergleich dabei raus, der Film durfte gezeigt werden.

Wie kam es denn dazu, dass Sie 1952 als Jurist zur Bezirksregierung nach Arnsberg wechselten, wo Sie 1955 zum Regierungsrat ernannt wurden?

1952 wurde meine Promotionsurkunde ausgestellt. Ich wollte eigentlich nicht als Assessor nach Arnsberg. Das Landesministerium verteilte und hat entschieden, wo ich hinkam. Später war mir klar, dass Arnsberg der zweitgrößte Regierungsbezirk in NRW ist. Und auch, dass ich mit meiner beruflichen Laufbahn Glück gehabt habe. So durfte ich zum Beispiel bei der Kommunalaufsicht die Satzungen von Großstädten genehmigen. Der Regierungspräsident arbeitete in der gleichen Etage. Ihn unterstützte ich öfters beim Formulieren amtlicher Schreiben. Als dieser dann Innenminister wurde, hat er mich als persönlichen Referenten mit nach Düsseldorf genommen.

Als der Regierungspräsident aufgrund von Neuwahlen aus seinem Amt ausschied, wurden OKD-Stellen frei und ich bewarb mich als Parteiloser und ehemaliger Referent der SPD-Regierung beim Kreis in Brilon.

Wo Sie der Briloner Kreistag 1958 zum Oberkreisdirektor wählte. Die Wahl wurde 1970 bestätigt. Wie war die Zusammenarbeit mit den politischen Gremien im Kreis und mit den Bürgermeistern?

Hier habe ich mich sehr schnell eingelebt. 1960 haben meine vor fünf Jahren verstorbene Ehefrau Maria und ich unser Haus gebaut. Im Gegensatz zur Bezirksregierung hat man bei der Kreisverwaltung direkt mit der Bevölkerung zu tun, also mit der Basis. Im Winter 1958/1959 habe ich die 63 Bürgermeister bzw. Ortsvorsteher besucht und die zuständigen Amtsdirektoren. Ich besuchte regelmäßig die drei Polizeistellen und die Einzelposten. Die Zusammenarbeit war freundschaftlich.

Grimlinghausen ist die kleinste Gemeinde, gefolgt von Esshoff. Esshoff hatte eine Schule. Der einzige Lehrer, der auch im Schulgebäude wohnte, unterrichtete alle Stufen – in zwei Klassenräumen. Das funktionierte. Zum Teil gingen seine Schüler später aufs Gymnasium.

Was mir besonders gefallen hat, waren die Schützenfeste. Sie waren nicht nur der Mittelpunkt des dörflichen Lebens. Das Besondere war, dass es beim Vogelschießen keine Standesunterschiede gab. Ich war häufig dabei, ob in Braunshausen oder in Altenbüren.

Kommen wir zurück auf das bunte Glasfenster im Hausflur. Was besagt der Leitspruch für Sie persönlich?

„God is myn Leydsman“, also „Gott ist mein Lotse“ bedeutet: Man kann sich seiner Führung anvertrauen wie eine Schiffsbesatzung einem Lotsen, nicht dem Kapitän. Ich sehe Gott als Lotsen in Verbindung mit dem irdischen Leben.

Herr Dr. Müllmann, vielen Dank für das äußerst interessante und lehrreiche Gespräch. Wir wünschen Ihnen für Ihr Wiegenfest am Mittwoch alles Gute und weiterhin schöpferische Freude und ein herzliches „Ad multos annos“ (Auf viele Jahre). Bleiben Sie gesund. Haben Sie noch ein Schlusswort für unsere Leser?

Danke sehr. Als ich nach Brilon kam, zweifelte ich, ob das die richtige Entscheidung war. Heute weiß ich, sie war richtig. Mein Herz gehört dem Sauerland.

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