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Neues Bauprojekt in der Krummestraße in Brilon: Anwohner üben scharfe Kritik

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Von: Silke Nieder

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Auf dem Gelände des als „Haus Wigge“ bekannten ehemaligen abgerissenen Fachwerkhauses plant der Investor das Bauvorhaben.
Auf dem Gelände des als „Haus Wigge“ bekannten ehemaligen abgerissenen Fachwerkhauses plant der Investor das Bauvorhaben. © Silke Nieder

Aktuell fehlen in Brilon rund 700 neue Wohnungen. Diese Zahl nannte die Stadt Brilon auf einer nicht öffentlichen Anliegerversammlung am 22. Februar dieses Jahres. Thema war das geplante Bauvorhaben in der Krummestraße 2. Zwei Wohnblocks mit je sechs Wohnungen sollen auf dem Gelände des als „Haus Wigge“ bekannten ehemaligen abgerissenen Fachwerkhauses entstehen.

Brilon – Die angrenzenden Anwohner befürchten jedoch, dass die Stadt voreilig handelt und weder den Folgebetrieb noch ihre Interessen berücksichtige. Und auch rechtlich gehöre das Grundstück, auf dem Haus Wigge stand, bisher noch zum „Kerngebiet“, sodass keine Neubauten von reinen Wohnhäusern zulässig seien.

Vorgeschichte

Die älteren Briloner kennen sie noch: Die Geschwister Wigge. Bis in die 1990er Jahre bewirtschafteten sie ihren Hof inmitten der Briloner Innenstadt. Investieren konnten die drei Geschwister kaum. Im Dezember 2019 ließ der Käufer das urige, denkmalgeschützte Vierständer-Haus abreißen.

Und heute, in einer Zeit, in der Bauen und Investieren immer schwieriger werden, kommt das Vorhaben des Eigentümers, auf diesem Grundstück stadtzentral zwölf Wohnungen mit Tiefgarage zu bauen, gerade recht. Auch wenn es nicht dem Charakter des Ortsbildes entspricht: Wohnungen werden benötigt und deshalb spielt die Umgebungsbebauung anscheinend keine Rolle mehr. Ende 2021 reichte der aus Altenbüren stammende Investor, der heute in München lebt, einen Bauantrag für das Gebäude bei der Stadt ein, den er aber kurze Zeit später wieder zurücknahm. In einem zweiten Entwurf wurde den Anliegern am 22. Februar eine neue und sehr detaillierte „Bauvoranfrage“ vorgestellt: Zwei Wohnhäuser mit jeweils sechs Wohneinheiten. „Alles in allem soll diese Planung aus planungsrechtlicher Sicht eine Baugenehmigung auslösen“, sind sich die Anlieger sicher. Die Planung sei sehr vollständig und erfülle die Vorgaben für einen ordentlichen Bauantrag. „Niemand würde so viel Planungsleistung in eine Bauvoranfrage investieren“, sagt ein befreundeter Architekt.

Ortsbild beeinträchtigt

„Das Bauvorhaben ist vollkommen unverhältnismäßig zum Platz in dem mittelalterlichen, historischen Ortskern unserer Heimatstadt, mit der Brilon sich rühmt und Werbung macht.“ – Harte, emotionale Worte fallen beim Treffen der Anwohner mit dem SauerlandKurier einen Monat nach der Versammlung, bei der ungeladene Gäste keinen Zutritt erhielten. „Für mich handelt es sich bei den Bauplänen, die uns vorgestellt wurden, um eine emotionslose Geldanlage. Da sollte der Stolz unserer Stadt auf ihre Geschichte doch im Vordergrund stehen und nicht das Geld“, macht eine Anliegerin, die selbst sehr viel Geld in die Erhaltung ihres Hauses investiert hat, ihrem Ärger Luft.

Dass neue Wohnungen entstehen müssen, sind sich alle einig. „Jedoch immer angelehnt an den Baubestand der Umgebung.“ So steht es auch in der Erhaltungs- und Gestaltungssatzung der Stadt. Und laut Paragraph 34 BauGB werden Höchstmaßbegrenzungen, überbaubare Flächen und die Gestaltung durch die Eigenart der Umgebungsbebauung definiert. Das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden. Abgewichen werden kann im Einzelfall, wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Der Beigeordnete der Stadt habe allerdings lediglich auf die Modernität (vor 30 Jahren sei es eben auch anders gewesen) hingewiesen. Im öffentlichen Interesse stünde aber auch, das Stadtbild einer Altstadt zu erhalten, sind sich die Anwohner sicher. Auf den Vorschlag, die neue Fassade anzugleichen, zum Beispiel mit Sandsteinelementen oder mit Fachwerk, ging die Stadt nicht ein.

Viele Sorgen und jede Menge Fragen

„Unsere Fragen auf der Versammlung wurden vom Beigeordneten Reinhold Huxoll und Bauamtsleiter Marcus Bange nur unzureichend beantwortet“, schilderten angrenzende Nachbarn der zukünftigen Häuserblöcke. Sie machen sich Sorgen. Ob tatsächlich nur 50 Prozent der Fläche bebaut werden, wie im neuen Bebauungsplan vorgesehen, könne man in Anbetracht der Darstellung kaum glauben. Diese Frage konnte nicht überzeugend beantwortet werden. Und bei welchem Höhenmeter beginnt die Firsthöhe? Auf diese Frage hin seien nicht nachvollziehbare Höhenmeter angegeben worden. Auch auf die Frage, wie diese Häuser beheizt werden sollen, gab es keine Antwort.

Größere Sorgen bereiten den Grundstücksnachbarn der Abriss der alten Bruchsteinmauer, der schützenswerte Baumbestand und insbesondere der Folgebetrieb. Der obere Parkplatz sei zum großen Teil von Berufstätigen belegt. Selbst die geplanten Stellplätze im Untergeschoss der Gebäude würden diese Situation nicht abfedern. Denn wer parke schon mühselig in einem engen Garagenparkplatz, wenn er es eilig habe?

Enge Gasse – kaum Platz für Pkw

Hunde, Katzen, Fahrradfahrer und Fußgänger – alle teilen sich die mit Altstadtpflaster belegte, bürgersteiglose, schmale Krummestraße, welche mit der alten Mauer den Charme des ehemaligen Mistemarktes ausmacht. Ein sicherer Fußweg sei ohne Bürgersteig nicht gewährleistet. Schon jetzt haben Paketdienste und die Müllabfuhr Schwierigkeiten in der engen Gasse zu rangieren. In der Höhe Glascontainer kommen keine zwei Pkw nebeneinander vorbei. Mitunter sei es schwierig, zum eigenen Grundstück und zur Garage zu kommen.

„Diese Straße ist für mindestens 20 Pkw mehr nicht ausgelegt. Das zusätzliche Pkw-Mehraufkommen ist nicht zu vertreten. Aber Brilon überlässt alles dem Zufall. Und wenn man zudem nicht parken kann, fährt die Kundschaft woanders hin“, schilderten die besorgten Anlieger und meinen damit die künftigen Einbußen einer alteingesessenen Bäckerei. Über den Folgebetrieb mache sich anscheinend niemand Gedanken. Auch bei der ehemaligen Druckerei Hecker in der historischen Südstraße habe es kein Konzept für die sieben Wohneinheiten gegeben. Die Parkplätze sind zu klein und man parke auf gesperrten Flächen. Huxoll komme mit der zugesagten Erklärung zur Auslegung der Parkplätze seit zwei Jahren nicht herbei. Die Stadt brauche bei künftigen Planungen dringend eine Verordnung über Stellplätze. Die Stadt scheine auch nicht den möglichen immensen Eingriff in das Nachbareigentum zu bedenken. Dieser sei nahezu unumgänglich.

Anlieger fühlen sich nicht gehört

Kritische Argumente der Anlieger scheinen die städtische Verwaltung nicht zu stören. Die künftigen Nachbarn des geplanten Gebäudes haben sich nach der Anliegerversammlung immerhin in vier Briefen mit unterschiedlichen Fragen an die Verwaltung beziehungsweise das Bauamt gewandt. Nicht einer wurde bis zum heutigen Berichtstag beantwortet. Auch bei der Ratssitzung am Donnerstag stand das Thema Mistemarkt nicht auf der Tagesordnung.

Bebauungsplan noch nicht rechtskräftig

Aus Negativerfahrungen wollte die Stadt Brilon darauf achten, eine Bebauung wie in der Derkere Straße zu verhindern und die Anpassung an den Bestand in den Vordergrund stellen (sinngemäße Zitate der Verwaltung aus den Jahren 2019 und 2020, Sitzungsvorlage Ausschuss für Planen und Bauen vom 27. Juli 2022). Überdimensionierte Baukörper sollen ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund wurde der Bebauungsplan Nr. 80 überarbeitet und das Kerngebiet „Bereich zwischen Derkere Straße-Südstraße-Niedere Mauer“ (Kurgebiet)“ soll als Wohngebiet erklärt werden. Der noch immer nicht rechtskräftige Bebauungsplan Nr. 80a befindet sich jedoch bis heute im Planungsstatus. Das bedeutet, dass das komplette Grundstück zugebaut werden könnte. Allerdings mit Gewerbefläche und nicht, wie geplant, mit Wohnhäusern. Eine Veränderungssperre wurde nicht auf das Gebiet gelegt. Durch diese hätten sich sowohl die Stadt als auch der Bauherr und die Anlieger viel Arbeit, Zeit, Geld und Ärger erspart.

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