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Bis zum Ende der Welt - wie zwei Sauerländer Südamerika auf dem Rad erkunden

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Von: Kristin Sens

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Fin del Mundo – das Ende der Welt ist das Ziel der beiden Freunde Nils Heiße aus Essentho und Johannes Stolz aus Marsberg.
Fin del Mundo – das Ende der Welt ist das Ziel der beiden Freunde Nils Heiße aus Essentho und Johannes Stolz aus Marsberg. © Privat

Nils Heiße aus Essentho und Johannes Stolz aus Marsberg sind „best buddies“ seit ihrer Schulzeit und haben auch danach Kontakt zueinander gehalten. Weil sie viele gemeinsame Interessen haben, entstand gegen Ende des Studiums die Idee, eine längere Radtour durch Südamerika zu machen. Wegen der Pandemie mussten sie ihren Plan einige Male aufschieben, nun aber sind sie inzwischen seit über sieben Monaten auf zwei Rädern unterwegs.

Marsberg/Essentho – „Wir haben, direkt nach dem Abi, schon einmal eine ähnlich lange Reise durch Neuseeland, Australien und Asien gemacht, damals allerdings zu Fuß“, erklärt Nils Heiße am Telefon. Unabhängig voneinander – Stolz wohnt inzwischen in Kassel und Heiße in Leipzig – hätten sie aber während des Studiums das Radfahren für sich entdeckt; die Idee zur Radtour sei Hannes dann vor vier, fünf Jahren zu Hause auf dem Sofa gekommen.

„Wir probieren beide gerne etwas Neues aus und mit dem Rad kann man alles genau wahrnehmen und trotzdem Strecke machen. Und es ist ein kostengünstiges Reisen, man ist unabhängig von anderen Fortbewegungsmitteln“, sagt Hannes Stolz. Ihre Familien seien inzwischen daran gewöhnt, dass die beiden immer wieder mal für längere Zeit auf Tour gehen. „Sie unterstützen uns nicht nur sehr, ich habe meine Eltern sogar inspiriert, ebenfalls mehr zu reisen“, sagt lachend Hannes.

Fest stand zu Beginn der Reise nur das Ziel: Fin del Mundo – das Ende der Welt an der Südspitze Feuerlands. „Den Flug nach Kolumbien. Mehr hatten wir eigentlich nicht“, so Nils. Von Amsterdam aus flogen sie nach Bogotá – dank der Räder mit ziemlich viel Übergewicht. „Dort haben wir uns gar nicht lange aufgehalten, sondern sind zwei Tage später direkt losgefahren“, erzählt Nils. Zunächst ging es Richtung Norden nach Salento, in die Berge mit ihren Kaffeeplantagen. Danach steuerten sie Ecuador an.

Von tropischer Hitze bis Hochgebirgstemperaturen

Zwei Monate lang radelten sie kreuz und quer durch das Land, durch den Dschungel, hoch in die Anden, dann wieder hinunter ans Meer. „Ecuador ist ziemlich beeindruckend, weil es so vieles abdeckt, dabei ist es relativ klein“, sagt Nils. So extrem unterschiedlich wie die Landschaften war aber auch das Klima, von tropischer Hitze bis Hochgebirgstemperaturen. „Das macht Radreisen sehr anspruchsvoll. Wenn die Sonne da war, hat man über die Sonne geflucht, wenn die Kälte da war, über die Kälte. Am schlimmsten war Regen plus Kälte plus Wind. Das war schon schwer zu ertragen“, erinnert sich Hannes.

Von Ecuador radelten sie Richtung Peru, dann nach Bolivien, quer durch die Salzwüste. Danach ging es weiter nach Argentinien. „Die letzten Monaten schlängeln wir immer hin und her, zwischen Chile und Argentinien. Zuletzt waren wir in Patagonien“, erzählt Nils weiter. Rund vier Monate lang bewegten sie sich in rund 4000 Metern Höhe.

An den Luxus gewöhnt man sich schnell wieder – aber von den Eindrücken, davon werden wir noch lange zehren.

Johannes Stolz

Das Wetter ist die eine Herausforderung, die Straßen die andere: „Von Autobahn bis Wanderweg, haben wir alles gehabt“, sagt Hannes. In Chile gab es fast nur Schotterstraßen mit tiefen Schlaglöchern. Auf der berüchtigten bolivianischen Todesstraße waren sie auch unterwegs. Flüsse mussten durchwatet oder auf provisorischen Brücken überquert werden. Einmal mussten sie sieben Kilometer am Stück das Rad schieben. Am abenteuerlichsten war vielleicht, als sie auf einen Canyon quer durch eine Goldmine stießen. „Die Leute waren sehr überrascht, als auf einmal zwei Radler auftauchten“, so Hannes. Ein Mitarbeiter lotste sie durch das Gelände, das eigentlich kein Außenstehender betreten darf. Da er einen Bezug nach Deutschland hatte, mochte er anscheinend die beiden „Exoten“.

Geschlafen haben sie fast immer im Zelt, nur gelegentlich brauchten sie mal „ein vernünftiges Bett“ zur Regeneration. Einen Platz zum Campen zu finden, war meist kein Problem. Manchmal klingelten sie bei Leuten um zu fragen, ob sie ihr Zelt aufstellen können. „Die Menschen waren meist sehr hilfsbereit“, sagt Nils. Kritische Situationen haben sie während der gesamten sieben Monate nicht erlebt. „Passieren kann überall was. Mit etwas Empathie und Einfühlungsvermögen sind wir immer ganz gut zurecht gekommen“, versichert Nils. Zum Glück sprechen beide etwas Spanisch, auch wenn die südamerikanischen Akzente ungewohnt waren. Je weiter südlich sie kamen, desto eher wurde auch Englisch verstanden.

Ihre Mahlzeiten waren meist ebenso spartanisch wie ihre Unterkunft: „Nudeln mit Tomatensoße können wir beide gut kochen“, sagen sie lachend. In abgelegenen Regionen waren sie manchmal froh, im Supermarkt ein paar gammelige Tomaten zu bekommen. In der Regel gab es aber viel frisches Obst und Gemüse, oft Unbekanntes, das sie neugierig probierten. In der nächst größeren Stadt eine Pizza zu verzehren, ist ein Highlight, auf das sie sich momentan sehr freuen.

Mit den Rädern geht es für die beiden Marsberger seit über sieben Monaten durch Südamerika.
Mit den Rädern geht es für die beiden Marsberger seit über sieben Monaten durch Südamerika. © Privat

Anderen Radfahrern sind sie selten begegnet. Wenn, waren es meist Sportler und keine Tourenfahrer mit schwerem Gepäck, wie sie. Dank der digitalen Medien hatten sie aber regelmäßig Kontakt mit anderen Globetrottern in Südamerika. Manchmal fanden sie für eine Strecke Wegbegleiter, immer aber nützliche Tipps. „Das ist eine große Community, da hilft man sich gegenseitig“, erklären die Weltenbummler.

Nun sind sie nur noch 290 Kilometer vom Ziel ihrer Reise entfernt, der Stadt Ushuaia in Terra del Fuego. Von dort geht es über Buenos Aires direkt zurück nach Barcelona, von wo aus sie die letzten Kilometer bis nach Hause wieder radeln wollen. „Es ist schwer, aufzuhören“, sagen sie fast wehmütig. Aber natürlich freuen sie sich auf Familie, Freunde und, nach so vielen Entbehrungen, ein bequemes Bett. „An den Luxus gewöhnt man sich schnell wieder – aber von den Eindrücken, davon werden wir noch lange zehren“, sagt Hannes nachdenklich.

Fotos und Videos auf Instagram

Nils hat es besonders Ecuador angetan, mit seiner vielseitigen Landschaft. Hannes kann gar kein einzelnes Erlebnis ausmachen: „Es ist die mentale Challenge, da quält man sich den ganzen Tag – und dann sieht man einen Regenbogen und weiß wieder: ah, darum macht man das. Es sind die Momente dazwischen, die man nicht plant.“

Nur Selbstzweck ist ihre Reise im Übrigen nicht. Auf ihrem Instagram-Account www.instagram.com/drahtesel_del_mundo findet man neben vielen Fotos und kleinen Videos einen Aufruf zu ihrer Spendeninitiative bei World Bicycle Relief. Die Aktion möchte durch Spenden Mobilität in Gegenden der Welt bringen, in denen der Besitz eines Fahrrads keine Selbstverständlichkeit ist.

Spendenaktion:

https://join.worldbicyclerelief.org/drahtesel_del_mundo/challenge

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