Doch sie überwand die demotivierende Nachricht und legte sich ins Zeug: Einen Tag hatten sie zur Vorbereitung, einen ganzen Tag lang wurden sie beobachtet. Die Prüfer bauten einige Schikanen ein, um ihre Stressresistenz auf die Probe zu stellen. Dann stand die Entscheidung an – und wieder ging sie als Siegerin hervor. Obendrein gewann sie auch den Publikumspreis. „Ich hatte das Glück, dass ich in allen Prüfungen das Thema ,Luxus’ hatte“, sagt sie.
Dennoch: Das, was sie erreicht hat, ist größtenteils ihr eigener Verdienst, ist ihr Ausbilder Roman Gerlach überzeugt: „Bis zur Innungsprüfung sind wir ja dabei. Aber danach, das hat sie alles selbst geschafft.“ Dass sie so weit kommt, das hätte er niemals gedacht.
Denn die junge Frau hatte es alles andere als leicht. Kaum zu glauben, dass sie erst vor gut drei Jahren hierher gekommen ist. „Meine Eltern waren nach Deutschland gegangen, um ein besseres Leben zu haben, aber ich bekam kein Visum“, erzählt sie. Ein Jahr blieb sie allein im Kosovo zurück und machte derweil ihren Schulabschluss am Gymnasium.
Eine Verwandte vermittelte ihr den Kontakt zur Bäckerei Runte und sie bewarb sich. „Wir haben quasi die Katze im Sack gekauft“, sagt Gerlach, der auch schon viele schlechte Erfahrungen mit Auszubildenden gemacht hat. Aber der Fachkräftemangel bewog ihn und ganz offensichtlich war seine Entscheidung die Richtige. Erst nachdem sie ihren Ausbildungsvertrag hatte, bekam die damals 18-Jährige ein Visum und durfte einreisen. Mit zwei Wochen Verspätung begann sie ihre Ausbildung.
„Es war richtig schwer“, erinnert sie sich: Ihre einzigen Deutschkenntnisse hatte sie aus dem Fernsehen, das deutsche Bildungssystem war ihr fremd und ihre Eltern konnten ihr auch nicht viel helfen. Aber sie war motiviert, engagierte sich am Arbeitsplatz und hatte auch Spaß an der Schule. Deutsch lernte sie quasi nebenbei, durch die Praxis vieler Kundengespräche.
„Wenn man will, schafft man alles. Man darf nur nicht aufgeben“, sagt Sejdiu heute selbstbewusst. Dabei stand für sie viel auf dem Spiel: Ein Scheitern hätte bedeutet, dass sie zurück muss. Manche zerbrechen unter einem solchen Druck – sie hat das angeschoben: „Ich wollte unbedingt bei meiner Familie bleiben.“
Nun geht ihr Blick in die Zukunft: Ich will meinen Meister machen, dann Marketing studieren und mich irgendwann selbständig machen.“ Von den Anwesenden zweifelt niemand daran, dass sie das auch schafft. „Das ist auch eine Ehre für unsere Stadt“, sagt der Bürgermeister und hofft, dass sie in Marsberg bleibt. „Das Handwerk hat aus meiner Sicht immer noch goldenen Boden“, so der Bürgermeister.
„Das Geschäft ist sehr schwer geworden“, räumt Gerlach ein. „Wenn man bestehen will, braucht man gute Leute, so wie Bleonita Sejdiu, Ich freue mich wahnsinnig für sie“, sagt der Bäckermeister abschließend.