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Christkind "abgeschossen"

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Gekaufte Geschenke, wie diese Skier, die Herbert Düring 1938 zum Geburtstag bekam, waren früher eher die Ausnahme.
Gekaufte Geschenke, wie diese Skier, die Herbert Düring 1938 zum Geburtstag bekam, waren früher eher die Ausnahme.

"Ja, Weihnachten, da wurde das Christkind mit der Leuchtpistole vom Himmel geholt", erinnert sich der Padberger Georg Grelich an seine Kindheit in Oberschlesien. Dort war dies zumindest in den Kriegsjahren ein weit verbreiteter Brauch. Auch Herbert Düring, der in einem kleinen Dorf nur wenige Kilometer weiter aufwuchs, erinnert sich daran, dass mit der Pistole in die Luft geschossen wurde, um das Christkind herbei zu holen.

Läutete dann in der "guten Stube" das Glöckchen, wusste man, die Zeit für die Bescherung war gekommen. Der Gabentisch war bei Weitem nicht so üppig wie heute, aber der Anblick des mit Glaskugeln oder einer Kugelkette, Engelshaar, Nüssen und Äpfeln behangenen Baumes ließ auch damals die Herzen der Kinder höher schlagen. Später kamen Lametta und Geleefrüchte dazu. Düring erinnert sich, dass es "streng verboten" war, vor dem Neujahrstag etwas davon zu naschen. Widerstehen konnte jedoch keiner – auch sein Vater nicht, wie er später herausbekam.

Grelich bekam einmal die "Judenbuche" geschenkt. Als er dies viele Jahre später seinen Kindern erzählte, meinte eine der Töchter: "Wie, mehr habt ihr nicht bekommen?" Der heute 73-Jährige, der mit drei Geschwistern aufwuchs, erlebte während der letzten Kriegsjahre mit anschließender Vertreibung und Flucht eher karge und triste Weihnachten. Diese Erlebnisse haben ihn weit mehr geprägt als die wohlbehütete Kindheit. "Krieg und Vertreibung haben den Geist geschärft – das vergisst man nicht", sagt er.

Spielzeug oft selbst angefertigt

Auch Herbert Düring, der als Einzelkind aufwuchs, sagt: "Früher wurde nicht so viel geschenkt." An eines erinnert er sich aber noch ganz besonders: "Ein mal bekam ich ein Schaukelpferd, mit echtem Fell und Glasaugen –das sah fast wie ein echtes Pony aus", erzählt er mit leuchtenden Augen. Wie so vieles musste auch dieses geliebte Spielzeug bei der Flucht zurückbleiben. Sonst gab es an Geschenken meist Anziehsachen, ein Buch oder ein Gesellschaftsspiel. Spielzeug wurde häufig selbst angefertigt. So erinnert er sich daran, sich selbst aus ein paar Fassdauben ein paar Skier gebastelt zu haben. Als er mit zehn Jahren ein paar "Richtige" zum Geburtstag bekam, war er mächtig stolz. Einmal hatte er sich sehnlichst ein Akkordeon gewünscht, aber seine Mutter, eher praktisch veranlagt, hatte für derartige "Kinkerlitzchen" nichts übrig.

Mit 16 Jahren war seine Kindheit abrupt zu Ende, er wurde noch ein Jahr vor Kriegsende eingezogen. Sein traurigstes Weihnachtsfest verlebte er fern der Heimat – und ohne zu wissen, wie es dem Rest der Familie ergangen war, als Knecht auf einem Hof bei Stade. Kurz darauf kam er jedoch nach Marsberg, wo es seine Mutter hin verschlagen hatte. Die Anfänge waren bescheiden, die ersten Weihnachtsfeste in der neuen Heimat auch. In guter alter Sauerländer Tradition, "organisierte" man sich den Weihnachtsbaum selbst im Wald.

Was es in Oberschlesien noch für Traditionen gab, lesen Sie auf ffi Seite 2

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