Eindringlicher Appell: Feuerwehr Marsberg ist am Limit

So gut gefüllt sind die Zuschauerreihen selten wie es bei dieser Februarsitzung des Marsberger Stadtrats der Fall war.
Marsberg – Anlass war der Jahresbericht 2022 der Freiwilligen Feuerwehr, den Brandoberinspektor Cyrill Stute dem politischen Gremium präsentierte. Dutzende von Feuerwehrkameraden waren in ihren blauen Uniformen gekommen, um den Worten ihres Wehrleiters mehr Nachdruck zu verleihen.
Rückblick auf den Brand im Stellwerk
Die Sitzung fand unmittelbar nach der Nacht statt, in der nahezu zeitgleich ein Stellwerk gebrannt hatte, was zu massiven Stromausfällen führte und bei der Firma Ritzenhoff eine Anlage in Brand geraten war, wobei extrem hohe Temperaturen von bis zu 1500 Grad die Einsatzkräfte vor besondere Herausforderungen gestellt hatten (SauerlandKurier berichtete). Bevor der Wehrleiter das Wort ergriff, zog Bürgermeister Thomas Schröder ein positives Résumé des Einsatzes: „Ich stelle fest, die Krisenstäbe haben ganz hervorragende Arbeit geleistet.“
Am Einsatz waren neben der Feuerwehr auch das DRK, die Polizei, das THW sowie die Netzbetreiber und Energieversorger beteiligt. Stute bestätigte dies im Wesentlichen in seiner Schilderung der Ereignisse. So seien innerhalb der ersten 45 Minuten alle wesentlichen Maßnahmen korrekt eingeleitet worden.
Wie der Zufall es wollte, war just für das folgende Wochenende ein Übungsszenario für einen Großeinsatz geplant gewesen, den konnten die Rettungskräfte sich nun sparen, „Wir haben als Feuerwehr in den letzten Monaten Druck gemacht, sich auf bestimmte Situationen, wie eine Mangellage, vorzubereiten“, erklärte Stute.
Wie viele Einsätze gab es im Jahr 2022?
Das Zahlenwerk des Jahresberichts erscheint auf den ersten Blick unspektakulär – immerhin bescheinigte auch Stute, dass ein zeitliches Zusammentreffen von zwei Großeinsätzen äußert selten sei – aber bei genauerem Hinsehen offenbart sich, dass die Feuerwehr auch unter „normalen“ Umständen immer stärker gefordert ist.
Insgesamt habe es 319 Einsätze im Vorjahr gegeben, das entspräche einer Steigerung von 21 Prozent. 51 waren Brandeinsätze, 17 davon mittlere sowie drei Großbrände. Dazu kamen 20 Verkehrsunfälle, sechs davon mit einer eingeklemmten Person und zwei Einsätze mit mehreren eingeklemmten Personen. Nicht immer habe man alle Menschenleben retten können, so gab es zwei Verkehrs- und einen Brandopfer zu beklagen. Summa summarum haben die Marsberger Einheiten 5.056 Einsatzstunden geleistet, dazu kommen nochmals 10.000 Ausbildungsstunden.
Herausforderungen und Probleme
Eine deutliche Steigerung gab es bei der Einhaltung der Hilfsfristen von zwölf Prozent in 2020 auf jetzt 62,5 Prozent. Damit sind aber die Möglichkeiten der Feuerwehr „nahezu ausgeschöpft“, so Stute, zumal die Zahl der Mitglieder von 584 auf 561 gesunken sei – das entspräche einem Minus von fünf Prozent. „Wir schießen zurzeit mit Kanonen auf Spatzen – das können wir auf Dauer nicht durchhalten“, fasste Stute zusammen.
Als erste Maßnahme forderte der Wehrleiter eine Neudefinierung des Brandschutzbedarfsplans ein. Dazu zähle auch, zu untersuchen, ob es für das Niedermarsberger Feuerwehrgerätehaus einen strategisch günstigeren Standort gäbe, beziehungsweise inwiefern eine Ostanbindung oder dezentrale Standorte hier helfen können. So habe die Stationierung eines Fahrzeugs am Rathaus Hilfsfristen bereits enorm verbessert.
Weitere Knackpunkte sind Einsätze wie die Beseitigung von Ölspuren, die keine originären Aufgaben der Wehren seien. Verwaltung und Politik müssten hier einen externen Dienstleister beauftragen. „Ab dem zweiten Quartal machen wir das nicht mehr“, kündigte Stute an. Bis dahin gelte es, die Kosten dafür konsequenter abzurechnen.
Ein großes Problem seien zudem die Alarme von Brandmeldeanlagen, rund 90 Prozent davon Fehlalarme. Hier gelte es, die Betreiber der Anlagen stärker in die Pflicht zu nehmen, einmal durch bessere Wartung der Meldesysteme und zum anderen durch die Berechnung von solchen Einsätzen. Diese Gebühren sollen nach den Sommerferien erhoben werden. „Wir wollen dabei die Betriebe mitnehmen und bieten vorher entsprechende Beratungen an“, so Stute. Dies käme den Unternehmen letztendlich selbst zugute, denn wenn Wehrleute zu Einsätzen gerufen werden, stehen sie als Fachkraft den Firmen nicht zur Verfügung.
Blick in die Zukunft
Das wichtigste Problem, welches es anzupacken gilt, ist aber der Nachwuchs. Hier hätten auch Politik und Verwaltung die Aufgabe, für Motivation zu sorgen. „Sie müssen uns pflegen und Anreize schaffen“, erklärte der Wehrleiter. Das könnte zum Beispiel freier Eintritt ins Schwimmbad als Zeichen der Anerkennung sein, oder die Einführung von Brandschutzaufgaben als Schulpflichtfach. Bei öffentlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Stadtfest, sollten die Wehren die Gelegenheit haben, sich an zentralen Orten zu präsentieren.
Damit die Rettungskräfte auch in Zukunft erfolgreich arbeiten können, müssten Politik, Verwaltung und die Feuerwehr eng zusammenarbeiten, so der abschließende Appell des Wehrleiters. Der Bürgermeister dankte für die mahnenden Worte und stimmte zu: „Die Zahl der Einsätze sollte uns zu denken geben.“ Wegen der Ölspurbeseitigung sei man bereits mit Dienstleistern im Gespräch. Alle Fraktionssprecher bekräftigten, dass die Politik hinter der Feuerwehr stehe. Es müssten den Worten nun auch Taten folgen, bemerkten sie selbstkritisch. Prümper (SPD) regte externer Hilfe für die Erstellung des Brandschutzbedarfsplanes an, Mues (MBG) forderte eine bessere und offenere Kommunikation ein.