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Heute ist Welthospiztag: Wie ein Verein aus dem HSK den Neuanfang nach Corona wagt

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Von: Kristin Sens

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Hospizverein Marsberg Laura Edel Gabi Klose
Die beiden Koordinatorinnen Laura Edel und Gabi Klose veranschaulichen anhand der Flyer den Wandel des Marsberger Hospizvereins. © Kristin Sens

Jahrestage wollen auf Vergessenes und auf Themen im Randbereich der gesellschaftlichen Wahrnehmung aufmerksam machen. Der Welthospiztag, der am heutigen Samstag, 8. Oktober, gefeiert wird, ist ein solcher Tag, denn auch der Tod und das Sterben sind Themen die lieber verdrängt und tabuisiert werden.

Marsberg – Der SauerlandKurier sprach anlässlich des Welthospiztages mit Jochem Dahle, dem früheren Vorsitzenden des Hospizvereins Marsberg, und den beiden Koordinatorinnen Gabi Klose und Laura Edel.

„Hospiz kann mehr“

Der Welthospiztag steht in diesem Jahr unter dem Motto: „Hospiz kann mehr“. Soll sagen, dass Hospizarbeit und Palliativversorgung weit mehr ist als Sterbehilfe, besonders in Form der derzeit intensiv diskutierten Suizidbeihilfe. Das Motto verweist zudem auf die lange Geschichte der Hospizbewegung in Deutschland und erinnert daran, dass Hospizarbeit heute mehr leisten kann als in den Anfangsjahren.

Anfänge des Vereins

Auch der Hospizverein Marsberg, der 1996 gegründet wurde – im vorigen Jahr wurde das 25-jährige Jubiläum gefeiert – hat sich in dem Vierteljahrhundert seines Wirkens verändert. Anfangs war es schwierig, mehr als drei bis vier Familien zu finden, die eine Begleitung wünschten. Treffen und Schulungen fanden nur unregelmäßig statt, ein Büro gab es zwar, war aber aufgrund der mangelnden Nachfrage nur sporadisch besetzt.

Nachdem Jochem Dahle 2012 das Amt des Ersten Vorsitzenden übernommen hatte, wurde ein Aktivkreis mit monatlichen Treffen installiert, es gab „Befähigungskurse“ und Kooperationsverträge mit Alten- und Pflegeheimen und er begann eine intensive Kontaktpflege mit den politischen und gesellschaftlichen Gremien der Stadt. Mithilfe des 2016 verabschiedeten Palliativgesetzes konnten endlich auch hauptamtliche Kräfte beschäftigt werden. Gabi Klose und Laura Edel nahmen mit jeweils einer halben Stelle ihre Arbeit auf; inzwischen wurden sie auf zwei dreiviertel Stellen angehoben. „Das hat dem Verein sehr gut getan“, bekräftigt Jochem Dahle. Die beiden Koordinatorinnen brachten nicht nur ihre Erfahrung aus der Pflege mit, sie sind auch mit Herzblut dabei. Wichtig ist ihnen, selbst auf dem Laufenden zu bleiben und sich weiterzubilden. Aktuell stehen Schulungen im Bereich der Palliativmedizin/Schmerztherapie sowie Trauerbegleitung bei Kinder und Jugendlichen an, erzählen die Koordinatorinnen.

Sterben ist natürlicher Teil des Lebens

Regelmäßige Bürozeiten erleichterten die Erreichbarkeit, dazu kamen öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie die Hospiztage, das Trauercafé „Lichtblicke“, Aufklärungsprojekte wie „Hospiz macht Schule“ und „Letzte-Hilfe“-Kurse. Zuletzt konnten sie um die 50 Familien im Jahr betreuen. Wie sehr sich der Verein gewandelt hat, veranschaulichen gut die verschiedenen Versionen des Informationsblattes, welche der Verein herausgebracht hat. Während die Aufmachung des ersten Faltblattes eher an eine Trauerkarte erinnerte, so betonen Farbwahl, Design und Text des aktuellen Flyers den Wert des Lebens, auch – oder gerade – angesichts des Todes. Allmählich begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass das Sterben ein natürlicher Teil des Lebens ist.

Corona stellt alles in Frage

Dann kam Corona – und stellte alles in Frage. Die Begleitung Sterbender in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen war wegen der Zugangsbeschränkungen nicht möglich. Für viele der ehrenamtlichen Aktiven war die Arbeit, aufgrund ihres eigenen fortgeschrittenen Alters oder schutzbedürftiger Familienangehöriger, zu riskant. Für die Sterbebegleiter war es zudem eine besondere Belastung, vermehrt mit dem Tod jüngerer Menschen konfrontiert zu sein. „Das macht etwas mit einem, wenn es Leute im eigenen Alter sind. Corona war schon schwer“, sagt Laura Edel.

Doch die Verantwortlichen des Hospizvereins suchten erfolgreich Mittel und Wege ihre Arbeit fortzusetzen. Schließlich lockerten sich die Restriktionen etwas und am Ende stellten sie fest: „Wir haben zwar weniger Patienten in Einrichtungen, aber wir haben viel mehr Begleitungen im häuslichen Umfeld.“ Dank ihrer Aufrufe haben sie zudem einige jüngere Sterbebegleiter gewinnen können. Heute hat der Verein um die 200 Mitglieder, davon um die 25 Aktive.

Alle öffentlichen Arbeiten, wie Trauercafé und Besuche in Schulklassen, laufen erst langsam wieder an. Dennoch sind die Aktiven zuversichtlich: „Hospizarbeit ist längst nicht mehr so ein gesellschaftliches Tabuthema, wir haben heute einen ganz anderen gesellschaftlichen Rückhalt“, ist sich Dahle gewiss. „Ideen haben wir noch viele“, versichert Gabi Klose. So soll neben dem Projekt „Hospiz macht Schule“ auch etwas für ältere Schüler entwickelt werden; ein erster Besuch bei Zehntklässlern macht Mut. Die Zusammenarbeit mit der LWL will man intensivieren, so dass dort in der Ausbildung die Hospizarbeit zur festen Lerneinheit wird.

Neue Vorsitzende

Nach dem tiefgreifenden Einschnitt Corona erfolgte nun eine weitere Zäsur: Nach zehn Jahren stellte sich Jochem Dahle nicht mehr zur Wiederwahl. Als neue Erste Vorsitzende wurde im Juni Heike Blühdorn gewählt. Auch das Amt des Zweiten Vorsitzenden wurde neu besetzt: Gabriele Döschner aus Marsberg trat die Nachfolge von Hans-Dieter Willerscheid an. Lediglich Kassenwart Josef Tuschen blieb weiter im Amt. Für die Westheimer Grundschullehrerin kam die Anfrage sehr überraschend. „Ich hatte mit dem Thema Sterben eigentlich nichts am Hut“, bekennt Blühdorn. Erst durch den Verlust ihres eigenen Vaters wurde ihr das Thema präsenter. Dann fiel ihr kürzlich ein Buch in die Hände, in dem es darum ging, jüngeren Kindern das Thema Sterben näher zu bringen. So entschloss sie sich kurzerhand: „Komm, ausprobieren, machen.“

Neustart

Bei ihrem Neustart verlässt sie sich auf die beiden Koordinatorinnen, die als Konstanten dem Verein erhalten geblieben sind: „Wir müssen nach Corona wieder in Fahrt kommen.“ Mit dem Fokus auf jüngeren Kindern hat sie bereits einen neuen Schwerpunkt im Blick. So könnte sie sich eine Kooperation mit Familienzentren vorstellen. Für Dahle, der zwar als Erster Vorsitzender nicht mehr im Amt ist aber dem Verein weiterhin verbunden bleibt, gibt es keine sinnvollere Arbeit, als Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten: „Das ist die schönste Arbeit die man sich vorstellen kann, das ist gelebtes Christentum.“

Der Wechsel soll am Samstag, 22. Oktober, ab 10 Uhr mit einer kleinen Feier in der Tenne (Deutsches Haus) öffentlich gemacht werden. Neben Wegbegleitern des Vereins werden auch Vertreter verschiedener Einrichtungen sowie der Marsberger Bürgermeister erwartet.

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