Auf dem Spielbrett nach Russland?

Dass ein Nichtkönner in einem Fachgebiet einmal noch wichtiger ist als ein Könner, ist schwer vorstellbar. Saskia Luckey und Jessica Bender vom Carolus-Magnus-Gymnasium in Marsberg beweisen dieses Phänomen: Sie haben sich zusammengetan, damit sie "Spielend russisch lernen". Und das richtig gut – die beiden Schülerinnen stehen am heutigen Sonntag im Bundesfinale des gleichnamigen Spiels in Gelsenkirchen.
Das Brettspiel "Spielend russisch lernen" wird in gemischten Paaren gespielt. Ein Mannschaftsmitglied – der Könner – hat Russischkenntnisse, der andere – der Nichtkönner – hingegen nicht. Jeweils zwei Teams spielen gegeneinander, ein Schiedsrichter passt auf, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Gewonnen hat das Team, das die meisten Fragen in verschiedenen Kategorien beantwortet und somit die meisten Karten gesammelt hat.
"Der Nichtkönner ist noch wichtiger als der Könner. Er muss drei Karten sammeln, der Könner zwei. Außerdem muss er sich die Wörter neu merken. Die Vokabeln, die auf den gesammelten Karten stehen, müssen am Ende noch einmal auswendig aufgesagt werden. Das ist der schwierigste Teil", sagt Jessica Bender, die im Marsberger Team der Könner ist. Zwei Jahre lernt die 17-Jährige am Gymnasium schon russisch. sich mit entfernten Verwandten in der Ukraine besser verständigen zu können, gab Jessica Bender den Antrieb, diese Sprache zu wählen. Bei vorherigen Besuchen gab es Probleme, sich zu unterhalten, doch "nun klappt es immer besser." Sie war es auch, die ihre Freundin Saskia Luckey auf "Spielend russisch lernen" aufmerksam gemacht hat. Die 16-Jährige hat mit russisch erst einmal nichts am Hut gehabt. Sie lernte schon drei Sprachen – Englisch, Französisch und Latein – fand die Idee aber interessant und ist seitdem der Nichtkönner in der Mannschaft des Gymnasiums. Viel Spaß macht das Spiel beiden Schülerinnen. Dass sie aber nun im Bundesfinale in Gelsenkirchen stehen, damit hätten sie jedoch nicht gerechnet.
Denn die Qualifikation schafft man nicht mal eben auf die Schnelle – Jessica Bender und Saskia Luckey mussten sich erst gegen Teams ihren eigenen Klasse, der Jahrgangsstufe 11, durchsetzen, dann gegen Mannschaften aus dem gesamten Gymnasiums. Als sie aus diesen Spielen siegreich von dannen zogen, stand die bisher größte Herausforderung an.
Im Spätsommer haben sie die NRW-Regionalrunde – von insgesamt 16 bundesweiten – am Bochumer Landesspracheninstitut gewonnen. 15 Mannschaften waren dort angetreten, aus 14 nordrhein-westfälischen Städten. "Wir haben vor den Spielen in der Klasse, in der Schule und in Bochum immer gesagt, dass wir verlieren. Als wir dann in Bochum gewonnen hatten, waren wir echt geflasht", erzählt Saskia Luckey.
"Der Ehrgeiz hat uns gepackt"
Geschlagen haben sie auch jemanden aus einem gegnerischen Team, der sich vor den Spielen über sie lustig gemacht hat. "Er meinte, dass wir gar nicht aussehen wie Russinnen und er uns deshalb schlagen wird. Da hat uns der Ehrgeiz gepackt. Dass er dann gegen uns verloren hat, war schon ganz lustig", erinnern sich die beiden.
Obwohl sie nicht allzu enttäuscht sein möchten, wenn sie das Bundesfinale heute nicht gewinnen, werden sie ihr Bestes geben. Schließlich stehen für die drei am höchsten platzierten Mannschaften Reisen nach Moskau und St. Petersburg an. Dafür müssen sie gegen 16 Teams aus allen Bundesländern antreten.
Über die Reise nach Russland würden sich die Gymnasiastinnen natürlich freuen. Denn das Spiel ist ein reines Sprachspiel, es erklärt nichts vom Land an sich. Deshalb haben sich die Vorstellungen über Russland für Saskia Luckey, anders als ihre Teamkameradin noch nie dort gewesen, nicht geändert. Sie hat noch "Pelzmütze und Wodka" vor Augen. Damit die Freundinnen gemeinsam auf große reise gehen können, reicht es nicht, die Vokabeln einfach auswendig zu lernen. "Für das Bundesfinale gibt es extra neue Kategorien und Begriffe. Jeder hat die gleichen Chancen", so Russischlehrer Klaus Dropmann vom Marsberger Gymnasium und vom Deutschen Russischlehrerverband, der Partner des veranstaltenden Deutsch-Russischen Forums. Er und die anderen Lehrer sind bei den Spielen nicht dabei. "Die Teilnehmer müssen sich unheimlich konzentrieren. Wären viele Zuschauer dabei, würde sich der Druck erhöhen. Wir hören auch von außen das Jauchzen, wenn unsere Mannschaft gewonnen hat", sagt Dropmann schmunzelnd.
Bevor es heute ernst wird, haben alle Teilnehmer des Bundesfinals dieses Wochenende schon in Gelsenkirchen verlebt. Sie wurden gestern in die Veltins-Arena eingeladen, um von den Tribünen das Spiel FC Schalke 04 gegen SC Freiburg zu verfolgen. Eigentlich Bayern-Fan, freute sich Saskia Luckey trotzdem auf die Partie. Auch Jessica Bender, die nur bei EM oder WM Fußball guckt, war gespannt auf die Atmosphäre im Stadion.
Eine gute Ablenkung vor dem Bundesfinale, meinen beide. Denn trotz Nervosität sind sich Könner und Nichtkönner einig: Gut schlagen wollen sie sich auf jeden Fall.