1. SauerlandKurier
  2. HSK
  3. Marsberg

Wie Kalender Mediziner im Ausland anwerben sollen - Arzt will Fachkräftemangel lindern

Erstellt:

Von: Kristin Sens

Kommentare

Allgemeinmediziner Dr. Andreas Wöge Kalender Ärztemangel Medizinkalender
Um im Ausland Arbeitskräfte in den Gesundheitsberufen zu gewinnen, will der Allgemeinmediziner Dr. Andreas Wöge dort an Ausbildungseinrichtungen seine Kalender verteilen. © Kristin Sens

Was haben Kalender mit dem Ärztemangel zu tun? Bereits während seines Studiums hatte der Allgemeinmediziner Dr. Andreas Wöge einen Faible für pragmatische Zugänge zur „geheimnisvollen“ Welt der Medizin entwickelt.

Marsberg – Seit rund fünf Jahren bringt er in der Vorweihnachtszeit Adventskalender heraus, mit Prüfungsfragen für angehende Mediziner vor und nach dem Physikum sowie für Auszubildende der Pflege und anderer Gesundheitsberufe. Nun ist er im Ruhestand – und hat Großes vor.

„Als frischgebackener Rentner will ich, mithilfe eines Kalenders, medizinisches Fachpersonal aus dem Ausland requirieren“, erklärt Wöge. Um zu verstehen, wie der Allgemeinmediziner, der rund 20 Jahre für die LWL-Klinik in Marsberg arbeitete, auf diese Idee gekommen ist, muss man etwas ausholen.

Wie entstand die Idee?

Nach dem Abitur wollte der gebürtige Bremer eigentlich zum Deutschen Entwicklungsdienst. „Aber die Präsentation ist völlig an mir vorbeigegangen“, erinnert er sich. Sie erreichte ihn nicht da, wo er als junger Abiturient war. Seine erste Lernerfahrung. Er machte eine Ausbildung zum Speditionskaufmann und ging für zwei Jahre zur Bundeswehr. Um dort „etwas Sinnvolles“ zu machen, wie er sagt, ging er in den Sanitätsdienst. Das brachte ihn anschließend zum Medizinstudium, aber es war der falsche Zeitpunkt: Damals herrschte eine Ärzteschwemme; er fand keine Anstellung.

Während des Studiums hatten ihm Eselsbrücken beim Lernen sehr geholfen – die begann er nun aufzuschreiben. Er brachte in Eigenregie ein Manuskript heraus und verkaufte es an der Universität. „Die gingen weg wie warme Semmeln“, blickt er zurück. Doch die akademische Fachwelt rümpfte die Nase: zu trivial. Er fand keinen Verleger und produzierte schließlich sein erstes Buch im Selbstverlag. „Ein Kahnbein fährt im Mondenschein“ wurde ein Renner. (Kahn- und Mondbein sind Knochen der Handwurzel.) Er sammelte neben Eselsbrücken auch Anekdoten, Illustrationen und Berichte mit medizinischen Bezügen – kurz: „Alles, was das Medizin-Studieren erleichtern kann“, so der Untertitel der Publikation, die mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen ist.

Doch seine eigentliche Berufung war immer noch Arzt zu werden. Er zog durch ganz Deutschland, um für seine Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin alle notwendigen Bereiche kennenzulernen, doch einen Job fand er immer noch nicht. So absolvierte er eine Weiterbildung als Fachredakteur für Medizin – und dann, Anfang der 2000er, veränderte sich die Lage: Plötzlich wurden Ärzte gesucht. Er schloss seine Qualifikation in der Allgemeinmedizin ab und fand an der LWL-Klinik in Marsberg eine Anstellung. In seiner Freizeit verfasste er weitere Publikationen, in denen er sein fachliches Wissen weitergab.

„Es ist ja so, dass, wenn man mal den Blick für etwas bekommen hat, einem immer mehr auffällt“, sagt er. Fast täglich entdecke er medizinische Symptome in irgendwelchen Abbildungen. Bald hatte er genügend Material, um regelmäßig ganze Jahreskalender damit zu füllen. Die für 2023 kommen gerade dieser Tage frisch aus dem Druck.

Ich kenne die Sorgen und Nöte der Mediziner nach der Ausbildung.

Dr. Andreas Wöge

Fündig wird er in der gesamten Weltgeschichte, besonders in der Literatur und der Kunst: Sei es der “griechische Fuß“ bei Michelangelos David, sei es die Witwe Bolte bei Wilhelm Busch. Auch in der breiten Medienwelt, in Fotos von Promis und Stars, dem geschulten Blick eines Mediziners entgeht nichts.

Letztendlich gibt er aber nicht nur Anekdoten oder Fachwissen weiter, sondern auch Teile seiner Lebenserfahrung. Die Situation, als junger Mensch keinen passenden Ansprechpartner oder Berater zu haben, ist ihm auch im späteren Leben immer wieder begegnet: „Ich kenne die Sorgen und Nöte der Mediziner nach der Ausbildung“, sagt er. Diese Erfahrung ist nun Ausgangspunkt für sein nächstes Projekt.

Um im Ausland Arbeitskräfte in den Gesundheitsberufen zu gewinnen, will er dort an Ausbildungseinrichtungen seine Kalender verteilen. Mit ihrem informativen Gehalt, aber auch mit ihrer humorvollen und unterhaltsamen Art, sollen sie angehende Mediziner, Pfleger und Therapeuten ansprechen und neugierig machen. Mittels aufgedruckten QR-Code könnten Interessierte direkt einen Kontakt herstellen zu Ansprechpartnern in Deutschland. Das könnte zum Beispiel die Marsberger Wirtschaftsförderung als erste Anlaufstelle sein. Ein erstes Gespräch mit deren Chefin findet kommende Woche statt. Aber Wöge will auch selbst aktiv werden, in die Länder reisen, an Schulen werben und sich als Mittelsmann engagieren: „Der Tutor, den ich damals gerne gehabt hätte, der könnte ich jetzt selbst sein.“

Langlebiger als Flyer – und nützlich

Er habe erfahren, dass im Kosovo, aber auch in anderen Ländern wie Aserbaidschan, Fachkräfte bereits auf Deutsch ausgebildet werden. Da gebe es also bereits ein Potenzial. „Ich bin sicher, dass die Kalender ihre Wirkung haben werden“, sagt Wöge. Sie seien langlebiger als Flyer oder Poster, die nach einer Weile im Mülleimer landen – und sie sind auch noch nützlich. Wenn die Jahreskalender in die Wohnungen potenzieller Fachkräfte Einzug gehalten haben, sind sie eine konstante Erinnerung an die Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten.

„Wir werden bald die ersten Arbeitskräfte hier haben“, ist Wöge überzeugt. Noch steckt das Vorhaben in den Kinderschuhen, aber wer den Mediziner, seine Beharrlichkeit und seine Vorliebe dafür, ungewöhnliche Wege zu gehen, einmal kennengelernt hat, ist schnell bereit, seinen Optimismus zu teilen.

Kontakt und Information

Für 2023 sind drei Jahreskalender erschienen: „Ein bunter Medizinkalender“, „Wenn der Arzt in Rätseln spricht“ und der „Sucht- und Drogenkalender“. Die Adventskalender gibt es inzwischen auch für nichtmedizinische Prüfungsthemen, wie zum Beispiel den Führerschein. Erhältlich sind alle Kalender über die Marsberger Druckerei Schulte und Schwarz, E-Mail: info@schulte-schwarz.de. Wer mit Dr. Andreas Wöge wegen seines Projekts Kontakt aufnehmen will: E-Mail: andreas.woege@gmx.de.

Auch interessant

Kommentare