Corona-Krise stellt Menschen mit Behinderung vor neue Herausforderungen

Hochsauerland – Die Corona-Krise verlangt von allen Bürgern Selbstverantwortung und Vernunft. Trotz der bislang durchgeführten Lockerungen bestimmen weiterhin Einschränkungen den Alltag. Insbesondere Menschen mit Behinderung und auch diejenigen, die diese betreuen, werden zurzeit mit vielen neuen Herausforderungen konfrontiert, für die es Lösungsansätze bedarf.
Der SauerlandKurier hat sich exemplarisch bei Institutionen und Vereinen für Menschen mit Behinderung umgehört, welche Schwierigkeiten es für Betroffene gibt und welche Schutzmaßnahmen von den Verantwortlichen ausgearbeitet wurden.
Förderschulen
Michael Schäfer-Pieper, Schulleiter der Kardinal-von-Galen Förderschule in Eslohe, hat sich mit einer schrittweise Rückkehr in den Schulalltag beschäftigt und dafür ein (Teilöffnungs-)Konzept erarbeitet. Dieses gelte für diejenigen Schüler, die in der Lage sind, die bestehenden Abstands- und Hygieneregeln, gegebenenfalls mit intensiver Hilfe, einzuhalten.
„Dazu wurde ein Rahmenplan erstellt, der Regelungen zur Benutzung der Räumlichkeiten, symbolgeleitete Regelungen zu Verhaltensweisen zur Vermeidung von Ansteckungen, zur Lerngruppenzusammensetzung, zum Einsatz der Lehrkräfte und der Hilfskräfte beinhaltet“, erklärt Schäfer-Pieper. Rund die Hälfte der Schüler habe jedoch auf Grund der Lernvoraussetzungen große Probleme, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. „Der Unterricht und die Förderung basieren auf einer sehr engen Beziehung aller erwachsenen Bezugspersonen zu unseren Schülern. Dazu gehört, dass es unsere Kinder und manchmal auch unsere Jugendliche gewohnt sind, in einigen Situationen an die Hand genommen oder in Krisensituationen in den Arm genommen zu werden. Das Ausbleiben dieser ,Gesten’ würden viele Schüler nicht verstehen.“
Auch dieser Gruppe würde man den Schulbesuch gerne ermöglichen, auch um deren Eltern zu entlasten. Aber: „Die Realisierung bereitet uns, bezogen auf den Schutz aller, große Bauchschmerzen“, so der Schulleiter.
Wohnheime
Auch die Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung werden vor eine Belastungsprobe gestellt. Nachdem wochenlang ein Besuchsverbot herrschte, sind seit dem 11. Mai wieder Besuche von Angehörigen und Bezugspersonen unter Berücksichtigung von Hygienevorgaben möglich.
Das Team des Josefsheim in Bigge koordiniert diesen Weg in eine „neue“ Normalität. Bereits am vergangenen Sonntag konnten sich viele Familien nach wochenlanger Abstinenz zum Muttertag wiedersehen. „Obwohl die Gesamtsituation der letzten Woche natürlich im gewissen Maße belastet, danken wir allen Beteiligten für ihre große Solidarität und ihr Verständnis“, sagt Gerhard Freund, einer der beiden Geschäftsführer am Josefsheim Bigge. Dankbar sei man vor allem dafür, dass in der Einrichtung bislang keine Infektion mit dem Coronavirus aufgetreten sei. „Für diesen Fall halten wir nach wie vor eine eigene Krankenstation vor, auf der im Ernstfall bis zu 15 Menschen mit Behinderung stationär in Zusammenarbeit mit der Elisabeth-Klinik Bigge im geschützten Bereich des Haus Martinus behandelt werden könnte“.
Auch im Marcel-Callo-Haus im Meschede werden strenge Schutzmaßnahmen eingehalten: „Mitarbeitende tragen bei unmittelbarem Nahkontakt zu Klienten OP-Masken und werden soweit wie möglich nur in einem begrenzten Wohnbereich eingesetzt“, heißt es vonseiten der Verantwortlichen. Temperaturkontrollen und Beobachtungen von Atemwegsbeschwerden bei Bewohner werden täglich durchgeführt.
Menschen mit Sehbehinderung
Doch nicht nur Institutionen müssen sich auf die neue Situation einstellen. Auch Betroffene stehen zurzeit vor Problemen, mit denen sie nie zuvor konfrontiert waren. „Für alleinstehende Menschen mit einer Sehbehinderung ist die Situation schwierig. Sie werden oft durch anderen Menschen geführt und das ist natürlich zurzeit aufgrund von der Kontaktsperre schwierig“, betont Gabriele Borutzki, Blinden und Sehbehindertenverein Westfalen.
Draußen sei vor allem der Blindenlangstock ein nützliches Hilfsmittel, um den Mindestabstand einzuhalten. Doch Sehbehinderte seien auch auf ihre Mitmenschen und deren Mitwirken angewiesen. „Die übrige Bevölkerung muss schon etwas aufpassen und auch mal ausweichen. Das geht nicht anders“, so Borutzki.
Menschen mit Schwerhörigkeit
Schwerhörige Menschen stellt vor allem die Maskenpflicht vor ungeahnte Probleme, wie Cornelia Schlötmann, Beraterin beim Deutschen Schwerhörigenbund Landesverband NRW in Arnsberg, berichtet. „Es ist momentan unheimlich schwierig, weil Menschen mir einer Hörbehinderung viel mit Mimik arbeiten. Da wir den Mund des Gegenübers nicht erkennen, wenn dieser einen Mundschutz trägt, ist es schwierig zu kommunizieren.“
Schwerhörige könnten sich allerdings mit der Spracherkennung von Handy, Laptop und Tablet behelfen. „Es sind momentan schwierige Zeiten, aber man muss irgendwie das beste daraus machen“, spricht sie abschließend sicherlich vielen Betroffenen und Betreuern aus der Seele.