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Energiekrise: Lage der Warenkörbe und Tafeln im Hochsauerland verschärft sich weiter

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Von: Daniela Weber, Stefanie Schümmer

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Tafel Deutschland
Corona, Ukraine-Krieg, immense Preissteigerungen: Die Tafeln und Warenkörbe erleben eine stark erhöhte Anfrage. © Tafel Deutschland

„Die Warenkörbe und Tafeln schlagen Alarm“ – bereits vor einem halben Jahr berichtete der SauerlandKurier über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Die Lage hat sich nun durch die Energiekrise weiter verschärft. Die Energiekosten steigen, Sprit wird teurer sowie durch die Inflation die Lebensmittel.

Meschede - Wie sieht die aktuelle Situation bei den heimischen Tafeln und Warenkörben aus? Was hat sich im Vergleich zur letzten Befragung geändert?

Wie wirkt sich die Kostenexplosion auf die Arbeit der Tafeln und Warenkörbe aus?

Ob Corona, Ukraine-Krieg oder die immensen Preissteigerungen – Warenkörbe seien immer ein Gradmesser an gesellschaftlich belastender Situationen. Die gestiegenen Lebensmittpreise seien natürlich bei jeder Öffnungszeit Thema bei den Kunden und den ehrenamtlichen Mitarbeitern. „Ich glaube aber auch, dass für viele Menschen die Strom- und Gaskosten zurzeit noch ,theoretische’ Größen sind und es erst richtig bewusst wird und durchschlägt, wenn im kommenden Jahr die Abrechnungen ins Haus kommen – man kann sagen, nicht nur für die Warenkorb-Kunden eine sehr große Herausforderung, sondern für einen großen Teil der Bevölkerung“, gibt Caritas-Koordinator Uli Schilling vom Caritasverband Brilon, der für die Warenkörbe in Brilon, Olsberg, Winterberg und Medebach zuständig ist, zu bedenken. Auch die Tafel in Meschede und der ökumenische Warenkorb in Marsberg spüren die gestiegenen Kosten. Diese seien aber noch nicht existenziell bedrohlich für den Betrieb.

Droht dennoch eine Schließung?

Über eine Schließung mussten bisher keine der heimischen Tafeln und Warenkörbe nachdenken. Der ökumenische Warenkorb in Marsberg ist gerade in ein neues großzügigeres Ladenlokal in die Bäckerstraße, ins ehemalige Schuhgeschäft Wegener gezogen. „Wir setzen damit auch ein Zeichen, dass wir diese wichtige Arbeit auch unter erschwerten Bedingungen weiterführen wollen. In Marsberg stehen beide großen Kirchen hinter der Arbeit des Warenkorbes und engagieren sich da, wo andere Finanzmittel (Spenden/Rücklagen) nicht ausreichen“, so das Team aus Marsberg. Für die Warenkörbe Olsberg, Brilon und Winterberg wurden jedoch Aufnahmestopps ausgesprochen. Vor einem halben Jahr hatte das Team es noch geschafft, eine solche Maßnahme zu verhindern. „Grund dafür sind die stark gestiegenen Kundenzahlen und die Feststellung, dass die Lebensmittelspenden aus den Geschäften zurückgegangen sind“, so Uli Schilling vom Caritasverband Brilon. Die Mescheder Tafel musste bereits im Mai einen Aufnahmestopp verhängen. „Die Nachfrage ist ungebrochen. Wir wissen von rund 100 Familien, die unser Angebot gern nutzen würden. Eine Warteliste führen wir nicht mehr. Sie bringt erfahrungsgemäß noch mehr Frust für alle Beteiligten, als jetzt schon vorhanden ist“, berichtet Michael Rosenkranz, der als Koordinator soziale Dienste beim Caritasverband Meschede für die Mescheder Tafel zuständig ist.

Wie sehr macht der gestiegene Arbeitsaufwand den Helfern zu schaffen?

Der Aufnahmestopp helfe auch das gesamte System zu schützen, erklärt Michael Rosenkranz, „da wir weder die Lebensmittelspenden erhöhen, noch unsere Ehrenamtliche über die Belastungsgrenze hinweg beanspruchen können.“ Die momentane Situation belaste die ehrenamtlichen Mitarbeiter, bestätigt auch Uli Schilling, „denn sie erleben unmittelbar die Sorgen der Kunden und wir sind ja alle in dieser gesellschaftlichen sorgenvollen Spirale gefangen – es handelt sich für einen großen Teil der Bevölkerung ja um existentielle Fragestellungen.“ Darüber hinaus verlange die veränderte Arbeit auch mehr Koordinierungsaufwand. „Ein solcher Koordinierungsaufwand ist zum Beispiel der Zukauf von Lebensmitteln, den wir nur durch die Spendenbereitschaft der Bevölkerung und Unternehmen leisten können. Wir stellen aber fest, dass ein solcher Zukauf immer schwieriger wird, da Geschäfte nur kleine Mengen abgeben oder auch Lieferengpässe sich bemerkbar machen“, so der Caritas-Koordinator.

Nutzen noch mehr Menschen das Angebot als vor einem halben Jahr?

„Wir erleben eine stark erhöhte Anfrage, die in den letzten Monaten doch eher der Ukraine-Situation geschuldet ist. Wir haben bei uns eine Recherche gemacht und festgestellt, dass die Zahl der Warenkorb-Kunden sich seit Anfang des Jahres nahezu verdoppelt hat“, berichtet Uli Schilling. So auch beim ökumenischen Warenkorb in Marsberg: „Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und Menschen, häufig alleinstehende ältere Frauen, die mit ihrer ganz kleinen Rente durch die Inflation mehr und mehr an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen.“

Was könnte den Warenkörben und Tafeln konkret helfen?

Die Mescheder Tafel bereitet einen Aufruf vor und sucht Tafelpaten. „Ein Tafelpate ist eine Person, die uns mit einer monatlichen Spende unterstützt, die sie übrig hat. Das können 5 Euro oder mehr sein. Das Ziel ist, dass wir circa 300 Personen von unserer Idee der Lebensmittelrettung begeistern können und dass sie als Tafelpaten ein Teil unseres Teams werden“, lädt der Mescheder Koordinator zum Mitmachen ein. Alle Tafeln und Warenkörbe können natürlich Spenden gut gebrauchen. Aber auch das Land NRW hat ein Förderprogramm aufgelegt (https://www.mags.nrw/armutsbekaempfung-lebensmittelverteiler). „Minister Laumann hat ein Programm auf den Weg gebracht, das gerade die nicht im Dachverband der Tafeln vertretenen Einrichtungen in den Blick nimmt“, so das Team des ökumenischen Warenkorbes in Marsberg. Sehr kritisch sehen die Mitarbeiter dort allerdings, Aktionen wie „Lebensmittelretter-Tüten“, bei denen Discounter gepackte Tüten mit ablaufenden Lebensmitteln an ihre Kunden direkt verkaufen. „Dies sind genau die Waren, die dann im Warenkorb fehlen. Die Angestellten in den Discounter haben dadurch Mehrarbeit (Abschreibung für Tüten/ Abschreibung von Waren für den Warenkorb).“ Was den Tafeln und Warenkörben enorm helfen würde, bringt eine Mitarbeiterin auf den Punkt: „Wir brauchen ein Gesetz wie in Frankreich, das das Wegwerfen von Lebensmitteln verbietet.“

Mehr dazu

https://eatsmarter.de/ernaehrung/news/frankreich-lebensmittel-wegwerfen-ist-verboten

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