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Urgestein der Schneider-Szene: Franz-Josef Isenberg erhält Diamantenen Meisterbrief

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Von: Lars Lenneper

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Elegant und edel: In diesem Cutaway nahm Franz-Josef Isenberg seinen Diamantenen Meisterbrief entgegen.
Elegant und edel: In diesem Cutaway nahm Franz-Josef Isenberg seinen Diamantenen Meisterbrief entgegen. © Lars Lenneper

Meschede - Ein Leben im Zeichen von Nadel und Faden – so etwa könnte man die Vita von Franz-Josef Isenberg zusammenfassen. Mit 88 Jahren war der heute 90-jährige Maßschneider aus Meschede immer noch zuweilen in der hauseigenen Nähstube anzutreffen. Für seine Leistungen wurde er kürzlich von der Handwerkskammer Südwestfalen mit dem Diamantenen Meisterbrief ausgezeichnet.

Die schwarze Jacke sitzt noch wie am ersten Tag, die schwarz-grau-gestreifte Hose passt perfekt zum eleganten Anstecktuch, das farblich optimal auf die silbergraue Krawatte abgestimmt ist – die schwarzen Schuhe strahlen mit dem Träger um die Wette. Franz-Josef Isenberg hat sich schick gemacht. Kein Wunder, schließlich ist dieser nass-graue Tag im Dezember 2019 ein ganz besonderer für den Maßschneider aus Meschede. In feierlichem Rahmen erhält er gemeinsam mit 32 weiteren Handwerkern aus der Region an diesem Abend den Diamantenen Meisterbrief der Handwerkskammer Südwestfalen für das erfolgreiche Ablegen der Meisterprüfung vor 60 Jahren.

Knapp einen Monat ist die Zeremonie nun her und wieder hat Franz-Josef Isenberg seinen edlen „Cutaway“ (kurz „Cut“) übergestreift. Doch dieses Mal steht der 90-Jährige nicht auf der großen Bühne in der Hüstener Festhalle, sondern vor einem Spiegel in seinem Atelier (Zum Siepen 8) in Meschede. Den Diamantenen Meisterbrief hält er damals wie heute fest umklammert. Mit sichtbar stolzem Blick sagt er: „Für mich ist das eine wunderbare Auszeichnung. Es ist die Bestätigung dafür, dass Schneidern mein Traumberuf ist – zumindest habe ich es dazu gemacht, was nicht immer einfach war. Die Kunst ist es aber, sich immer wieder neu zu erfinden und sich dabei trotzdem stets treu zu bleiben.“

Erfinderisch war bei Franz-Josef Isenberg alleine schon der Weg in die Schneiderei. Denn eigentlich hatte der damals 15-jährige Gymnasiast andere Pläne. Aber die Wirren des Zweiten Weltkriegs mit Bombenangriffen auf Meschede machten seinen Wunsch, das Studieren, nach Kriegsende zur Illusion. Folglich riet die Mutter – selbst Schneiderin – ihrem Sprössling zum Schneiderberuf, den er am 2. November 1945 beim Kriegsheimkehrer Schneidermeister Meschede aufnahm. Bereut habe er diesen zunächst etwas erzwungenen Schritt bis heute nicht. 

70.000 Nadelstiche für einen Maßanzug

„Es waren erfüllte Schneiderjahre, der Beruf hat mir so viel gegeben“, blickt Isenberg mit glänzenden Augen zurück. Der Gesellenprüfung 1957 folgte keine drei Jahre später die Meisterprüfung. Ein weiterer elementarer Schritt in Isenbergs beruflicher Laufbahn war der Weg in die Selbstständigkeit. Obwohl es bereits 28 ansässige Schneider in der Innung Meschede gab, ging Franz-Josef Isenberg das Wagnis im September 1960 ein. „Der Traum von der Selbstständigkeit war eigentlich immer da“, erinnert sich der sympathische 90-Jährige und pünktlich mit dem Eintrag in die Handwerksrolle am 14. September 1960 lieferte er auch den ersten Maßanzug im Wert von 300 DM aus. „Das war ein erhabenes Gefühl für die ganze Familie“, bekennt Isenberg mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.

Unzählige intensive Arbeitsstunden „bei Neonlicht im fensterlosen Kellerraum“ und so manches Wochenende auf Mode-Lehrtagungen investierte der ehrgeizige Mann, um seine Fertigkeiten auszubauen und stilmäßig stets auf der Höhe der Zeit zu sein. Belohnt wurde der Sauerländer unter anderem mit der Goldmedaille (1986) und zwei weiteren Goldauszeichnungen (1987) des deutschen Schneiderhandwerks. „Wir haben uns damals einfach noch die Zeit genommen, die heutzutage schlichtweg nicht mehr da ist. Bei uns gab es nie eine Uhr“, berichtet der 90-Jährige. Doch während er weiterhin jeden maßgeschneiderten Herrenanzug mit rund 70.000 Nadelstichen von Hand anfertigte, setzte auch im Schneiderhandwerk die technische Modernisierung ein. Schleichend, aber unaufhaltsam mussten sich immer mehr Schneiderbetriebe in der Umgebung den Gesetzen des Marktes beugen, bis sie schließlich ganz verschwanden. Von den 28 ansässigen Schneidereien 1960 sind bis heute nur eine Handvoll geblieben.

Auch Franz-Josef Isenberg musste dieser Entwicklung Rechnung tragen, hat sie aber – wie so oft – für sich zu nutzen gewusst. 2015 leitete er den Übergang ein, in dem er seinen Sohn Michael mit ins Boot holte. Der war, ebenso wie Sohn Torsten, bereits früh in die Fußstapfen des Vaters getreten und hatte sich 1995 in Miltenberg am Main mit einer eigenen Maßschneiderei selbstständig gemacht. 

Von der Handarbeit zur Maßkonfektion

2015 erfolgte die Rückkehr ins Sauerland und die schrittweise Übernahme des Familienbetriebes. Neben der notwendigen technischen Modernisierung stellte der 59-Jährige die industrielle Produktion von Maßkonfektion in den Vordergrund, ohne dabei aber mit den bewährten Arbeitsweisen seines Vaters zu brechen. So steht von der Beratung, über das Maßnehmen bis hin zur gemeinsamen Stoffwahl stets der direkte Kontakt mit dem Kunden im Mittelpunkt. Die Modellvielfalt ist dabei ebenso gegeben. Besonders stolz sind Vater und Sohn auf die passende Bekleidung für Oldtimer-Liebhaber. „Das sind authentische Kleidungsstücke die einen historischen Charme versprühen“, erklärt Michael Isenberg, der auch heute noch dann und wann die Berufserfahrung und Expertise seines Vaters zu Rate zieht.

Dieser wiederum räumt freimütig ein, dass ihm der schrittweise Rückzug nach fast 75 Jahren im Geschäft selbstverständlich schwer gefallen sei. „Mein Herz hängt einfach immer noch an der Schneiderei. Aber ich weiß, dass der Betrieb bei meinem Sohn in guten Händen ist.“ Eines möchte der Jubilar den Generationen, die ihre berufliche Zukunft noch vor sich haben, allerdings noch mit auf den Weg geben: „Es gibt nicht von Anfang an den Traumberuf oder die Traumfrau. Man muss sich alles erst dazu machen.“ Im Falle Isenbergs hat beides vollauf funktioniert, sodass der 90-Jährige nicht nur seit Kurzem den Diamantenen Meisterbrief sein Eigen nennen darf, sondern im vergangenen Jahr auch „Eiserne Hochzeit“ (65 Jahre) mit seiner Gertrud gefeiert hat.

Natürlich stilecht – im schwarzen Cut mit silbergrauer Krawatte und passendem Einstecktuch.

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