„Wie passt der Mensch in die Urne?“ - Projekt „Hospiz macht Schule“ in der vierten Klasse

Über den Tod, das Danach im Jenseits und den Abschied sprechen, Gefühle zeigen sowie Fragen stellen oder dem ein oder anderen Tränchen freien Lauf lassen: In der katholischen St. Johannes Grundschule in Meschede-Wehrstapel setzten sich die Mädchen und Jungen der vierten Klasse eine Woche lang in Kleingruppen mit dem sensiblen Thema Tod und Sterben auseinander
Wehrstapel – Unter dem Motto „Hospiz macht Schule“ gestalteten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen von der ambulanten Hospiz- und Palliativpflege der Caritas Meschede (Claudia Entian, Dorothee Grosche, Hiltrud Siebers, Lydia Webelhaus, Maria Wilmers und Nadine Menge) zusammen mit der sogenannten lila Dame (Sabine Scholten) die Projektwoche, in der sich die Kinder intensiv mit dem Sterbeprozess vertraut machen konnten. Sabine Scholten ist als lila Dame vor allem auch dafür da, Kinder bei Bedarf einzeln zu trösten.
Geschützter Raum
„Die Hospizdienste haben erkannt, dass Kinder in den Sterbeprozess mit einbezogen werden sollten. Im geschützten Raum haben die Mädchen und Jungen hier in der Schule die Möglichkeit, sich an fünf Tagen intensiv mit den Themen Werden und Vergehen, Krankheit und Leid, Sterben und Tod‚ Vom Traurig sein sowie Trost und Trösten zu befassen“, erklärte Hiltrud Siebers von der ambulanten Hospiz und Palliativpflege.
Das vom Bundesministerium für Frauen, Jugend, Familie und Senioren geförderte Projekt im Rahmen des Bundesmodellprogramms „Generationsübergreifende Freiwilligendienste“ hat zum Ziel, Kinder mit dem Thema Tod und Sterben nicht allein zu lassen, Ängste abzubauen und auf die Gedanken und Fragen der Viertklässler ausführlich einzugehen, wie zum Beispiel „Wie passt der Mensch in die Urne?“.
Die Kinder verinnerlichen, was sie hier gelernt und erarbeitet haben. So haben sie im Todesfall das Handwerkszeug an der Hand.
Kinder tragen so das Erlebte in die Familie, werden zu Multiplikatoren, um so gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern das Thema weiter zu vertiefen. „Die Kinder verinnerlichen, was sie hier gelernt und erarbeitet haben. So haben sie im Todesfall das Handwerkszeug an der Hand“, so die ehrenamtliche Mitarbeiterin.
Wie läuft die Projektwoche ab?
Einig sind sich die Damen von der ambulanten Hospiz und Palliativpflege darin, dass die kindlichen Vorstellungen, die teilweise sachlichen Gedankengänge sowie der schnellere Prozess des Abschließens auch den Eltern helfen kann. In der Projektwoche haben die Viertklässler von acht bis zwölf Uhr ihre Gedanken zu fünf verschiedenen Themen (jeder Tag hat eine andere Farbe) aufgeschrieben, Bilder gemalt, Bohnen als Zeichen des Wachstums gepflanzt, den Friedhof besucht sowie gemeinsam mit ihren Eltern das Abschlussfest gefeiert.
„Jeder Tag hat einen festen Rhythmus. Morgens beginnen wir mit dem alltäglichen Ritual, indem wir das Lied ,Der Himmel geht über allen auf’ singen, das bunte Band weiterreichen und jedes Kind namentlich ansprechen“, ergänzte Hiltrud Siebers. „Danach beginnt die Gruppenarbeit mit malerischer Gestaltung und vielen Gesprächen. Alle Kinder haben eigens eine Mappe bekommen, in der sie ihre erarbeiteten Schätze zur Erinnerung und für ihre Eltern sammeln.“
Ich habe viele Gänsehautmomente erlebt. Total geflasht war ich, als die Kinder nach dem Film ,Willi wills wissen’ ihre Fragen stellten und ihr Wissen mitteilten.
Teilweise emotional mit Tränen, die wenn nötig von der lila Dame im Einzelgespräch aufgefangen werden, sowie immer ehrlich, offen und frei gestellte Fragen gehören genauso zum Tagesablauf in der Projektwoche, wie persönliche Erlebnisse und Gedanken der Kinder. „Ich habe viele Gänsehautmomente erlebt. Total geflasht war ich, als die Kinder nach dem Film ,Willi wills wissen’ ihre Fragen stellten und ihr Wissen mitteilten“, berichtete Christina Plett, Rektorin der St. Johannes Grundschule Meschede-Wehrstapel.
Ehrlicher Umgang mit Kindern
Kinder haben Ehrlichkeit auf ihre Fragen verdient, lautete die deutliche Aussage der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Sie könnten die Wahrheit verkraften, jedoch nicht mit dem Tod abschließen, wenn Eltern sagen würden: „Die Oma ist eingeschlafen oder der Opa ist verreist.“ Wichtig sei darum, jede Frage offen zu beantworten, zu erklären, dass der Tod zwar mit Schmerzen einhergeht, aber dass es nach der Trauer weitergeht. „Wir haben auch den Tod des zwölfjährigen Mädchens aus Freudenberg aufgearbeitet. Der Wunsch war bei den Kindern vorhanden, offen darüber zu sprechen“, so Hiltrud Siebers. „Ängste wie, ‚Würde meine Freundin mich auch töten?’ kamen dabei zu Sprache.“
Emotionale Gespräche in Kleingruppen, der respektvolle Umgang zwischen den Mädchen und Jungen, das gemeinsame Auffangen sowie Trost zu spenden sei beispielhaft dafür, dass die Kinder in der vierten Klasse sich mit dem Thema Tod ausführlich beschäftigen können. „Das Projekt gehört zu unserem festen Schulprogramm und soll jedes Jahr stattfinden“, betonte Christina Plett. „Die Projektwoche fand in diesem Jahr bereits zum vierten Mal statt. Sie wird von der Schule immer gut vorbereitet.“
Vorstellung der Ergebnisse
Bei der Vorstellung ihrer Bilder erklärten die Kinder darum auch entsprechend ausführlich, warum sie die Farben gemischt haben, was ihre Gefühle und Gedankengänge waren, was sie letztendlich bewegt hat. Ein Kind sagte beispielsweise: „Ich habe die Kreise mit verschiedenen Farben gemalt und dazugeschrieben, welches Farbe welches Gefühl ausdrückt.“