Anatoli Pjatkow will Kaufmann werden – woran sein Wunsch scheitert

Anatoli Pjatkow wünscht sich nichts sehnlicher als eine sichere Zukunft als Kaufmann für Büromanagement. Sein Traum ist es, auf eigenen Füßen zu stehen und sein Leben eigenhändig zu gestalten. Doch das gestaltet sich für den jungen Mann als schwierig, denn er leidet unter dem EEM-Syndrom, einer Form der ektodermalen Dysplasie (erblich bedingte Fehlbildung).
Olsberg – „Ich leide seit meiner Geburt unter dem EEC-Syndrom und bin gesetzlich blind“, berichtet Anatoli Pjatkow aus Olsberg. „In meinem Fall sind Hände, Füße, Mund,- Kiefer- und Gaumenbereich, Haut, Haare sowie ganz besonders meine Augen betroffen.“
Der 24-jährige junge Mann hat aufgrund seiner angeborenen Erkrankung Probleme, einen Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsplatz zu finden. Trotz Realschulabschluss und anschließendem Fachabitur im Bereich Wirtschaft und Verwaltung am Berufskolleg in Brilon läuft die Zukunftsgestaltung in seinem Leben nicht rund.
Unterstützung durch Arbeitsagentur
„Im Sommer 2022 entschied ich mich nach reiflicher Überlegung, eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement im Berufsbildungswerk (Josefsheim Bigge) zu absolvieren, da ich keinen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt hatte“, erzählt der motivierte Olsberger, der in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne Kraftsport betreibt.
Diese Maßnahme wird von der Agentur für Arbeit Meschede-Soest in Bigge sowie in Soest finanziert, erklärt er weiter. Das Josefsheim sei zwar nur auf Menschen mit Sinnesbehinderungen und nicht wie in Soest primär auf Sehbehinderungen spezialisiert, doch Favorit war für Anatoli Pjatkow die Bigger Einrichtung.
Ausbildung in Bigge
„Ich habe mich aus persönlichen und finanziellen Gründen für die Bigger Einrichtung entschieden. Mein Reha-Berater sagte, das sei kein Problem, ich könne meine Ausbildung im Josefsheim beginnen“, berichtet Anatoli weiter. „Ich wollte einfach in meinem gewohnten Umfeld und bei meiner Familie bleiben.“ Vonseiten der Agentur für Arbeit hieß es zu dem Zeitpunkt, dass man sich kümmern werde.
Hilfsmittel abgelehnt
Mit großer Vorfreude begann Anatoli Pjatkow also seine Ausbildung in der Bigger Einrichtung im August 2022. Es vergingen vier Monate seiner Probezeit, doch die von der Agentur für Arbeit versprochenen und dringend benötigten Hilfsmittel wie eine Sprachausgabesoftware sowie eine Braillezeile wurden zweimal abgelehnt.
„Die Hilfsmittel sind aufgrund meiner Blindheit unerlässlich, um vernünftig arbeiten zu können. Da mir die Software und die Braillezeile fehlten, konnte ich also in der Berufsschule nur mündlich mitarbeiten“, berichtet der engagierte Mann bekümmert. „Ich konnte mich weder auf meine Klausuren vorbereiten, noch an meinem Arbeitsplatz mein Potenzial entfalten.“
E-Mail beendet Probezeit
Anatoli erzählt weiter, dass der Leiter der kaufmännischen Abteilung im Josefsheim sogar den Vorschlag gemacht habe, die dringend benötigten Hilfsmittel auf eigene Kosten anzuschaffen, sodass die Agentur für Arbeit nur die Ausbildung hätte weiter finanzieren müssen. Trotz Vorkenntnissen im kaufmännischen Bereich durch seine Fachhochschulreife, kam am 30. November 2022 zum Ende der Probezeit folgende Nachricht per E-Mail: „Wir hatten morgens ein Gespräch, wobei das Josefsheim sagte, sie würden mich gerne behalten. Am Nachmittag erhielt ich dann von meinem Reha-Berater eine E-Mail, dass ich die Probezeit nicht bestanden hätte“, so der Olsberger. „An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen, dass dem Berufsbildungswerk in Bigge keine Schuld zuzuschreiben ist. Von dessen Seite wurde viel versucht, mich trotz dieser genannten Missstände in die Schule und den Arbeitsbereich zu integrieren.“
Berufsbildungswerk: Anatoli soll bleiben
Auch Fachlehrerin Silke Nieder bestätigte die hohe Motivation und das Engagement von Anatoli Pjatkow. Sie betonte, dass alle Kollegen, die gesamte Klasse sowie die Ausbilder vom Berufsbildungswerk hinter ihm gestanden hätten. Der allgemeine Tenor hieß: Anatoli soll bleiben.
Fauler Kompromiss?
Alles in allem war die Nachricht ein Schock für den Auszubildenden, denn seine Zukunft als Kaufmann für Büromanagement löste sich nach dieser Hiobsbotschaft buchstäblich in Luft auf. Doch es sollte noch dicker kommen. Nach weiteren Gesprächen mit der Ausbildungsleitung und seinem Reha-Berater wurde schließlich der Kompromiss gefunden, weiter am Standort Bigge zu bleiben, jedoch am Schulunterricht am Berufskolleg für Blinde und Sehbehinderte in Soest teilzunehmen.
„Nachdem ich mich auf den Kompromiss eingelassen habe, kam einen Tag darauf vonseiten der Agentur für Arbeit die niederschmetternde Nachricht, dass die Maßnahme in Bigge komplett beendet ist und ich gezwungen sei, vollständig an den Standort Soest zu wechseln, wenn ich die Maßnahme fortführen möchte“, so Anatoli Pjatkow total enttäuscht. „Die Begründung für die Entscheidung der Agentur lautete, der Erfolg der Ausbildung sei am Standort Bigge nicht vorhanden und die Probezeit nicht bestanden.“
Das sagt die Agentur für Arbeit
Die Agentur für Arbeit teilte auf Nachfrage des SauerlandKurier mit, dass eine Datenauskunft über Dritte aufgrund des Sozialdatenschutzes nicht möglich sei. Als eigenständige und neutrale Anlaufstelle würde sich das Kundenreaktionsmanagement um die Beschwerden der Kunden kümmern. Anatoli Pjatkow solle über das Formular der Arbeitsagentur Meschede-Soest Kontakt aufnehmen, die Entscheidung werde dann nochmals überprüft.
Warum nicht Soest?
Traurig verbringt der Olsberger nun seit Januar seine Zeit in der Soester Einrichtung, fühlt sich unwohl und unterfordert, denn das Konzept entspricht absolut nicht seinem Bildungsstand. Anatoli hat aufgrund seiner Fachhochschulreife zahlreiche Vorkenntnisse im Bereich Wirtschaft und Verwaltung, spricht neben seiner Muttersprache Deutsch, fließend Russisch und Englisch. Der Olsberger hat nur einen Wunsch, eine Ausbildungsstelle zum Kaufmann für Büromanagement beziehungsweise Industrie- oder Bankkaufmann. „Ich bin mobil mit Bus und Bahn, würde auch für einen Ausbildungsplatz umziehen. Trotz meiner schweren Sehbehinderung kann ich meinen Alltag selbstständig meistern“, so Anatoli Pjatkow voller Hoffnung.
Ausbildungsplatz gesucht
Über einen Ausbildungsplatz freut sich Anatoli Pjatkow riesig. Sollte jemand diesem hochmotivierten, jungen Mann eine Chance geben wollen, kann er sich über seine E-Mailadresse mit ihm in Verbindung setzen: anatoli98.pjatkow@gmail.com