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Pflegezentrum im Hochsauerlandkreis schließt: Wie sieht die Zukunft der Pflege aus?

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Von: Claudia Metten

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Pflege Hochsauerland
Machen sich Sorgen um die Zukunft der Pflege in Deutschland: Norbert Vowinkel, Geschäftsleitung des Deutschen Roten Kreuz Meschede, und Sabine Klute-Wagener, gelernte Pflegekraft. © Claudia Metten

Die deutsche Gesellschaft wird immer älter. Erst vor Kurzem teilte das Statistische Bundesamt mit, dass nur noch jeder zehnte Mensch in Deutschland Ende 2021 zwischen 15 und 25 Jahre alt war. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt, die Nachfrage nach Pflegeplätzen ist groß. Dazu kommt das anhaltende Problem, dass Fachkräfte fehlen. Der SauerlandKurier hat sich umgehört, wie die Situation in der Region aussieht.

Hochsauerland - Aktuell gibt es laut Bundesgesundheitsministerium über fünf Millionen pflegebedürftige Personen. Insbesondere der Mangel an Personal in der stationären und teilstationären Pflege sowie in der Kurzzeit- und Tagespflege und im Menueservice auf Rädern verschärft langfristig die Situation in der Pflege.

„Pflege ist schon lange nicht mehr das, was ich früher gelernt habe. Heute geht es nur noch darum, in kürzester Zeit alles abzuarbeiten, um das Pensum zu schaffen. Der Mensch steht nicht mehr so im Fokus, wie es sein sollte.

Sabine Klute-Wagener, gelernte Altenpflegerin

In Bestwig steht nun sogar ein Pflegeheim vor dem Aus. Der Margarethenhof in Andreasberg muss aufgrund seiner baulichen Gegebenheiten zum 31. August seine Pforten schließen. Für die Bewohner mit Suchtproblemen, körperlichen Beeinträchtigungen in Folge einer ausgeprägten Alkoholerkrankung oder auch Hirnschädigungen bedeutet das: Raus aus dem gewohnten, sicheren Umfeld, rein in andere Heime zu anderen Menschen und Pflegern. Einrichtungsleitung Gabriele Hase betont zwar im Gespräch mit dem SauerlandKurier, dass die Unterbringung der Bewohner gesichert sei, sie jedoch nicht wisse, wie es mit der Pflegeeinrichtung weitergehe.

Wie sieht die Situation in der ambulanten Pflege aus?

Doch nicht nur die stationäre Pflege steht vor großen Herausforderungen, auch in der ambulanten Pflege zeichnen sich Probleme ab. Schon seit Langem beklagt Sabine Klute-Wagener, Geschäftsführerin von Engel in Zivil aus Meschede-Berge, die Situation: „Pflege ist schon lange nicht mehr das, was ich früher gelernt habe. Heute geht es nur noch darum, in kürzester Zeit alles abzuarbeiten, um das Pensum zu schaffen. Der Mensch steht nicht mehr so im Fokus, wie es sein sollte.“ Sabine Klute-Wagener ist seit über 28 Jahren gelernte Altenpflegerin, vor 19 Monaten hat sie einen Betreuungsdienst gegründet. Ihr ist es wichtig, ausreichend Zeit für jeden Patienten zu haben, damit insbesondere ältere Menschen nicht isoliert und allein in ihren eigenen vier Wänden ausharren müssen.

Eine Sache stößt bei ihr besonders auf Unverständnis: Nur ambulante Pflegedienste dürfen hygienebezogene Maßnahmen durchführen. Haare waschen, beim Duschen und Baden unterstützen oder auch die Fingernägel zu schneiden ist ihr trotz Fachausbildung untersagt. Sie darf Leistungen zur Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen im Alltag erbringen, nicht aber als examinierte Kraft bei der Körperpflege helfen, Wunden versorgen oder auch Medikamente vergeben.

Umdenken der Politik?

Die Berger Altenpflegerin sagt dazu ganz klar: „Im Sauerland ist es kaum noch möglich einen Pflegedienst zu bekommen, und zwar erst recht nicht, wenn die Patienten geduscht werden sollen. Warum ist es mir und vielen qualifizierten Unterstützern im Alltag nicht erlaubt, diese leichten körperbezogenen Pflegemaßnahmen durchzuführen?“

Sabine Klute-Wagener erhofft sich in diesem Fall ein Umdenken der Politik. „Viele Menschen benötigen zu Hause täglich Hilfe bei ihrer Körperpflege und beim Anziehen. Pflegedienste allein können das nicht mehr leisten. Mein Anliegen ist es, dass der Gesetzgeber erlaubt, dass wir auch als Betreuungsdienst hygienebezogene Maßnahmen durchführen dürfen.“ Ihr Appell lautet daher ganz klar: „Da muss sich was ändern, wir möchten unterstützend pflegebezogene Maßnahmen durchführen. Senioren haben genauso das Bedürfnis nach regelmäßiger Körperpflege wie junge Menschen.“

In der Pflege herrscht ein Mangel an Fachpersonal. Es müssen inzwischen Anfragen abgelehnt werden, weil die Ressourcen fehlen. Wir suchen in allen Bereichen Pflegefachkräfte, Auszubildende, Fahrer oder auch Küchenhilfen.

Norbert Vowinkel,  Geschäftsleitung des Deutschen Roten Kreuz Meschede

Wäre also die Erlaubnis, dass auch Betreuungsdienste Körperpflege durchführen dürfen, ein möglicher Lösungsansatz? Norbert Vowinkel, Geschäftsleitung des Deutschen Roten Kreuz Meschede, erklärt dazu, dass ein Haushalts- oder Betreuungsdienst keinen Versorgungsauftrag habe. Selbst wenn ein Mitarbeitender die Qualifikation als Pflegefachkraft besitze, dürfe er die Körperpflege nicht im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter des Hauswirtschaftsdienstes durchführen. Grundsätzlich gelte, dass pflegerische und hauswirtschaftliche Leistung getrennt voneinander geregelt werden, da die fachlichen und formellen Voraussetzungen an die jeweilige Anforderung der Tätigkeit gebunden sind. „In der Pflege herrscht ein Mangel an Fachpersonal. Es müssen inzwischen Anfragen abgelehnt werden, weil die Ressourcen fehlen. Wir suchen in allen Bereichen Pflegefachkräfte, Auszubildende, Fahrer oder auch Küchenhilfen“, so Norbert Vowinkel.

Gesamtgesellschaftliches Problem

Der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe, Abteilung Wohlfahrts- und Sozialarbeit, Fachbereich Senioren, begründet die Gesetzeslage damit, dass die Abgrenzung der Leistungen zwischen Hauswirtschaftsdienst und Pflegedienst sich nach der Gesamtheit der Qualifikationen aller Mitarbeitenden richte. Damit sei gemeint, dass erst wenn ein Pflegedienst die vorgeschriebene Mitarbeiter-Qualifikationen sowohl in Quantität als auch Qualität dauerhaft verzeichnet, wird er als Pflegedienst zugelassen. Nur so könnte der Pflegedienst seinem Versorgungsauftrag dauerhaft gerecht werden.

Selbst wenn ein Mitarbeiter eines Betreuungsdienstes gleichzeitig bei einem Pflegedienst angestellt sei, heißt es weiter, dürfe er die Leistung auch nur als Mitarbeitender des Pflegedienstes erbringen. Die Problematik der geringen Anzahl von Pflegediensten sei ein großes gesamtgesellschaftliches Problem, für das noch Lösungen gefunden werden müssen.

Hohe Energiekosten als Problem

Die Pflege und Versorgung von hilfsbedürftigen Menschen ist aber nicht die einzige Sorge der sozialen Dienste und Einrichtungen. Steigende Lebensmittelpreise und explodierende Energiekosten sind laut Norbert Vowinkel ein weiteres großes Problem, das die Pflegekosten dauerhaft in die Höhe treiben wird. Allein für das Bernhard Salzmann Seniorenzentrum in Meschede hat das DRK 2022 Gas und Strom für insgesamt 197.000 Euro eingekauft. Für 2023 lautet die Prognose von Strom- und Gasbörse – mit Stand vom 11. Juli 2022 – dass Mehrkosten in Höhe von 323.000 Euro anfallen werden.

„Bei 30.000 Belegungstagen im Jahr bedeutet das 10 Euro an Mehrkosten pro Person allein durch die steigenden Energiepreise. Darin enthalten sind noch nicht die gestiegenen Lebensmittel- und Wäschereikosten sowie die nach Tarif steigenden Löhne und Gehälter“, so Norbert Vowinkel abschließend.

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