Ein Dienstag. Der Tag, an dem das Quartier der israelischen Sportler und Betreuer im olympischen Dorf von arabischen Terroristen des sogenannten „Schwarzen September“ überfallen wurde. Zwei israelische Sportler wurden getötet, neun weitere als Geiseln genommen. Insgesamt starben 17 Menschen in Zusammenhang mit dem Anschlag.
Roland Hoffmann, damals 23 Jahre alt, ging 1969 nach einer Kaufmannslehre zum Bundesgrenzschutz (BGS), dem militärisch organisierten Vorläufer der heutigen Bundespolizei. „Wir wurden nach München abkommandiert, um bei den Spielen den Ordnungsdienst zu versehen. Insgesamt war ich zehn Wochen in München“, sagt der heute 73-Jährige. „Was die spätere Königin Sylvia von Schweden, damals noch Sylvia Sommerlath, für die Promis war, waren wir für die ,normalen‘ Besucher“, schmunzelt Hoffmann.
Vor dem eigentlichen Start wurden die BGS-Angehörigen geschult im Umgang mit den Besuchern. „Wir erhielten einheitliches Outfit, wurden im öffentlichen Auftreten geschult, wurden gebrieft, um beispielsweise auch Fragen nach Bauweise und architektonischen Details der Sportstätten oder dergleichen beantworten zu können. Unsere Aufgabe war es, das Hausrecht aufrecht zu erhalten, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Dazu zählte, Aufgänge freizuhalten, Besuchern den Weg zu ihren Plätzen zu weisen – freundliche Atmosphäre zu schaffen. Aber auch Schwarzhändler zu stoppen.“ Zudem waren Roland Hoffmann und seine Kollegen auch für das Pressezentrum verantwortlich: „Mir waren die beiden ZDF-Sportreporter Harry Valerien und Hanns Joachim Friedrichs zugeteilt. Ich war für ihre persönliche Sicherheit und ihren Schutz zuständig.“
Locker sei es zugegangen, sagt der Attendorner. „Wir waren bei Eröffnung und Schlussfeier im Olympiastadion. Ansonsten war meine Gruppe für das Schwimmstadion und die Olympiahalle im Olympiapark eingeteilt.“ Es blieb aber immer mal wieder Zeit, um sich Wettbewerbe anzusehen. „Wir hatten einen eigenen Block im Olympiastadion. Ich hatte ein kleines Autogrammbuch, darin hatte ich beispielsweise Dressurreiter und Silbermedaillengewinner Josef Neckermann, viele weitere Sportler, aber auch Promis der Unterhaltungsszene. Das Buch habe ich später verschenkt.“
Dann der 5. September. „Es war gegen 10 Uhr. Ich war auf dem Weg vom Stadion in Richtung olympisches Dorf. Unterwegs traf ich zufällig den Attendorner Rainer Wiese, der als Bahnpolizist in München war. Er sagte mir, dass im ,Dorf‘ überall Blaulicht zu sehen sei. Dann flog über uns ein Hubschrauber in Richtung olympisches Dorf, an Bord Innenminister Hans-Dietrich Genscher. Ich bin zu unserer Einsatzzentrale, und wir sind sofort zum Luftwaffen-Flugplatz in Fürstenfeldbrück gefahren, um ihn zu sichern. Erst im Lauf des Tages haben wir dann das ganze Ausmaß dieses Anschlags erfahren.“
Die Wettbewerbe wurden fortgesetzt. Roland Hoffmann: „Dieser Terroranschlag war für alle ein Schock. Wir erhielten unsere Dienstwaffen, Kollegen bewachten das olympische Dorf. Aber ich muss sagen, es war dennoch bei den Besuchern keine Panikstimmung zu bemerken, es gab keinerlei Misstrauen von deren Seite.“ Roland Hoffmann: „Wir haben im Kollegenkreis natürlich auch diskutiert, ob es richtig war, nicht abzubrechen. Wir waren mehrheitlich der Meinung, dass die Entscheidung, ,the games must go on´ (Satz von IOC-Präsident Avery Brundage, die red.) richtig war. Die Welt war zu Gast in München; es ging darum, zu zeigen, dass sich niemand dem Terror beugt.“
Und zum Terroranschlag sagt Hoffmann, der 1973 den BGS verließ und als Justizvollzugsbeamter in Gut Ewig arbeitete: „Ich sehe auch heute noch das Vorgehen von Politik und Polizei sehr kritisch. Die Münchner Polizei war hoffnungslos überfordert. Sie war weder psychologisch noch technisch auf eine derartige Situation vorbereitet.“
15 Menschen starben später beim gescheiterten Versuch der Polizei, die Geiselnahme am Flughafen Fürstenfeldbruck zu beenden: alle neun gekidnappten israelischen Sportler und Betreuer, fünf Terroristen und ein Polizist. Auch heute, 50 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen, sind noch viele Fragen offen.