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Die Engel der Kranken

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Siegfried Salewski und Ehefrau Wanda: Weil der alte Herr kein Auto mehr fahren darf, wird er von seiner Gattin zum Einsatzort chauffiert.  Fotos: Friedhelm Tomba
Siegfried Salewski und Ehefrau Wanda: Weil der alte Herr kein Auto mehr fahren darf, wird er von seiner Gattin zum Einsatzort chauffiert. Fotos: Friedhelm Tomba

Babacan Cahide (60) zog vor 43 Jahren aus der Türkei in die Hansestadt Attendorn. Ihre Kinder sind längst aus dem Haus. Nach dem Tod ihres ersten Mannes und späterer Trennung vom neuen Lebensgefährten lebt die perfekt deutsch sprechende Frau alleine. "Ich möchte aber nicht zu Hause rum hocken. Solange meine Kraft reicht, möchte ich für anderes etwas Gutes tun."

Das tut sie auch – seit zehn Jahren "arbeitet" Babacan Cahide im St. Barbara Krankenhaus in Attendorn. Die Gehaltsstufe, in der sie fest eingeschrieben steht, hat nichts mit Euros und Cent zu tun. Unentgeltlich im Dienst praktizierender Nächstenliebe steht sie als "Grüne Dame" für den Slogan der Krankenhausbetreiber.

Jeden Tag neuer Einsatzplan

"In guten Händen" - Babacan Cahide leistet ihren Dienst in der Gesellschaft im "Ökumenischen Besucher-und Begleitdienst" des Krankenhauses. Als "Grüne Dame" fuhr sie lange Zeit die Patienten in ihren Betten zu Untersuchungen oder in den OP. Jetzt verschönert die Türkin den alten Menschen auf der Geriatrie ihren Tageslauf: Essen reichen, Bücher vorlesen, Spiele spielen, dies und das: Der "Einsatzplan" ergibt sich jeden Tag aufs Neue.

Vor 30 Jahren legte Schwester Maria Gabriele den Grundstein für die Einrichtung zum Wohle aller Patienten. "Wir gehen zu allen Menschen. Katholisch oder evangelisch, Muslim oder orthodox: Der Glauben spielt keine Rolle. Auch Menschen, die gar nichts glauben, gehören mit dazu. Für uns zählt nur der Mensch."

"Diskretion ist selbstverständlich"

Die Frau, die das sagt, steht für tolerantes Miteinander: Schwester Regina, die gemeinsam mit Schwester Vianney in schwarzer Ordenstracht für die seelsorgliche Betreuung der Patienten verantwortlich ist, lobt ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter. "Unser Besuchs- und Begleitdienst arbeitet regelmäßig und zuverlässig. Dabei erfahren wir nur das, was die Patienten uns erzählen. Diskretion ist selbstverständlich." Neun aktive Mitglieder zählt die "Engel für die Kranken"-Aktion. "Wir sterben so langsam aus." Liesel Wilm aus Heggen gehört zu Frau der ersten Stunde, seit 30 Jahren gehören die Krankenbesuche zum Familienleben mit dazu. "Ich stelle mich kurz bei den Patienten vor und frage, wie es ihnen geht. Alles Weitere ergibt sich von selber."

Wer im Besuchs- und Begleitdienst mitmacht, hat etwas, was bei vielen Menschen verloren gegangen ist: Zeit für andere haben. Mit der Zeit, Ruhe und einer Portion Gelassenheit durchqueren die neun "Zivildienstleister der älteren Generation" die Flure im Krankenhause. Zuhören, Vorlesen, kleine Besorgungen erledigen oder aber auch Wäsche waschen, gehört zum Standardprogramm.

Wer glaubt, den Service "ausnutzen" zu können, liegt falsch. "Wenn wir aber merken, dass es Angehörige gibt und die nur zu faul dafür sind, sagen wir denen auch mal Bescheid." Ursula Becker, Katharina Köster, Liesel Wilm, Hildegard Seidel, Irene Hennes, Renate Lill, Babacan Cahide, Elke Decker und Siegfried Salewski bilden das einsatzfreudige Hilfsteam. Der einzige Mann in der Runde ist Siegfried Salewski aus Valbert (Meinerzhagen). Er lernte als Patient die Einrichtung kennen und lieben. "Ich lag selber hier im Krankenhaus, mir hat der Besuchsdienst gut getan. Nun helfe ich selber." Der 78-jährige Mann vom Besuchsdienst darf nach schweren Herzoperationen kein Auto mehr steuern.

Ehefrau Wanda bugsiert ihn regelmäßig zum Einsatzort. Dr. Andreas Stockmanns weiß als Geschäftsführer des Krankenhauses um die Bedeutung des Besuchs- und Begleitdienstes: "Das ist ein wichtiger Bestandteil des Krankenhausalltags. Unsere Patienten bekommen durch die ehrenamtlichen Helfer eine ganz individuelle Betreuung."

Stundenlohn und Fahrkostenabrechnungen sucht man vergebens. Liesel Wilm verrät dennoch ein kleines, ein winzig kleines Privileg: "Wir dürfen hier vor dem Krankenhaus umsonst parken."

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