Am 28. März 1945, während des Luftangriffs auf Attendorn, wurde der Dachstuhl der Pfarrkirche Sankt Johannes Baptist so stark beschädigt, dass dieser neu errichtet werden musste. Im Dachreiter über dem Chor befand sich eine so genannte „Kleppglocke“. Sie wurde nicht neu installiert und ging verloren. Im Jubiläumsjahr soll diese fehlende Glocke nun wieder das Geläut der Pfarrkirche vervollständigen.
Der dafür notwendige Turm über dem Altarraum ist noch vorhanden und die Größe der neuen Glocke wurde an die dortigen Platzverhältnisse angepasst. „Die Glocke ist so groß und dick, wie es der Platz in dem Turm ermöglicht“, erklärt Claus Ortmann im Gespräch mit dem SauerlandKurier. „Wir wollten ja nicht so ein Bimmelchen bekommen.“ Der Ton der neuen Glocke wird so „eingestellt“, dass sie vom Klang zu den bisherigen Glocken passt und alle gemeinsam ein stimmiges Klangbild ergeben. „Die Attendorner Glocken klingen allesamt schwer“, weiß Claus Ortmann. Daher muss der Glockenbauer den Ton entsprechend anpassen.
„Die neue Glocke nimmt Bezug auf den letzten großen Glockenguss in Attendorn im 19. Jahrhundert“, heißt es in einem Flyer zu der Veranstaltung am kommenden Wochenende.
Der Schriftzug lautet demnach „VENITE ATTENDORIENSES – LAUDATE DOMINUM. Übersetzt heißt das „Attendorner kommt, lobet den Herren“. Hinzu kommt die Jahreszahl des Gusses „A D MMXXII“, übersetzt „Im Jahre des Herrn 2022“. Als zusätzliche Zierde gibt es auf der rund 50 Kilo schweren Glocke vier Embleme und Bezeichnungen der zwei Bruderschaften und zwei Zünfte. Vier Weihekreuze als sogenannte Kreuzfibel des Erzbistums Paderborn aus dem achten Jahrhundert komplettieren die Zierelemente auf der Glocke.
Das Programm rund um den Guss ist umfangreich. Bereits am 22. und 23. Juni starten die Vorbereitungen auf dem „Alter Markt“. Am Freitag, 24. Juni, um 13 Uhr wird es zum ersten Mal spannend. Das Zerlegen der Gussform steht auf dem Programm. Die Entnahme der so genannten „falschen Glocke“, die Vorbereitungen und der Aufbau der Formen und das Anheizen der Bronze durch die Glockengießerei Hermann Schmitt stehen an. Ab 16 Uhr moderiert Anja Geuecke auf dem „Alter Markt“. Um 18 Uhr hält Dechant Andreas Neuser ein Gebet zum Glockenguss, bevor der eigentliche Guss der beiden Glocken für Attendorn und Biekhofen erfolgt. „Wenn die Bronze schon etwas eher heiß genug ist, kann das aber auch schon vorher passieren“, erklärt Claus Ortmann. Um 19 Uhr endet der erste Tag mit einer kirchenmusikalischen Vesper. Am Samstag, 25. Juni, erfolgt zwischen 15 und 17 Uhr das Ausgraben und Reinigen der Glocken, bevor am Sonntag, 26. Juni, um 10 Uhr das Festhochamt zum 950-jährigen Jubiläum der Pfarrei auf dem Programm steht. Hauptzelebrant ist Erzbischof Hans-Josef Becker. Das erste Anschlagen der neuen Glocken ist einer der Höhepunkte des Wochenendes. Die Moderation übernimmt Sebastian Springob und die musikalische Begleitung erfolgt durch den Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Attendorn.
Ein gemeinsamer Frühschoppen beim Feuerwehrfest Attendorn am „Spritzenhaus“ rundet den Tag und das ganze Wochenende ab. „Die beiden Glocken werden wir auf einem Handkarren mit zur Feuerwehr nehmen“, erklärt Claus Ortmann.
Die Weihe der Glocke, die in den kommenden Wochen noch poliert und gestimmt werden muss, ist geplant für den Westfälischen Hansetag am 11. September.
Wenn die neue Glocke einsatzbereit ist, kann sie ihre Funktion vor Ort übernehmen. Die „Kleppglocke“ ist eine Sologlocke, die kurz vor Beginn des Gottesdienstes geläutet wird. Diesen Vorgang nennt man „kleppen“. In früheren Zeiten war es dem Küster vor der Messe nicht möglich, das große Geläut im Turm nochmals zu betätigen. Deshalb wurde die kleine Glocke über dem Altarraum kurz vor Messbeginn geläutet. Die neue Glocke kann nicht nur zum Kleppen betrieben werden, sondern auch als Wandlungsglocke oder als Geläut für Gilde- und Zunftmessen.
Dank neuester Technik wird die Glocke dann mit Magneten betrieben und kann so besonders schwingungsfrei und exakt läuten.