"Lasst die Armen nicht noch mehr an den Rand geraten!"
Attendorner Schüler recherchierten in Sachen "Kirche und Politik"
Attendorn. (SK)
Kirche und Politik, wie passt das zusammen: Dieser Frage ging jetzt die Schüler-AG "Traumjob Politiker:" des Attendorner St. Ursula-Gymnasiums nach. Anlässlich der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion holte sich die Gruppe in Paderborn Informationen aus erster Hand. Für Prof. Dr. Josef Sayer, den Hauptgeschäftsführer von Misereor, ist der Zusammenhang selbstverständlich: "Kirche ist eine Einrichtung, die von Jesus Christus gesandt ist, um für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt zu arbeiten. Das ist ein äußerst politischer Auftrag", erklärte er den Jugendlichen. Misereor werde deshalb im Jahr 2007 eine besondere politische Aktion starten, nämlich die 0,7 Prozent des Staatsbudgets einfordern, die eigentlich für Entwicklungshilfe vorgesehen seien. Deshalb sammle man derzeit Unterschriften, die am 2. Mai den in Berlin versammelten Finanzministern der großen Industriestaaten überreicht werden sollen.
Auch Weihbischof Matthias König sieht keinen Widerspruch zwischen Kirche und Politik: "Warum ist Jesus damals ans Kreuz geschlagen worden: Unter anderem, weil er die bestehende Ordnung in Frage gestellt hat, die religiöse und, wie das die Herrschenden zumindest empfunden haben, auch die politische."
Ob man sich also als Kirchenvertreter auch in die aktuelle Tagespolitik einmischen dürfe, wollten die Schüler weiter wissen, mit Blick auf den Augsburger Bischof Mixa, der kürzlich die "Krippenpolitik" der Bundesfamilienministerin kritisiert hatte.
Hier äußerte sich der Weihbischof zurückhaltend. Grundsätzlich solle sich jeder getaufte Christ in die Gesellschaft einbringen, auch politisch. Nach der Wende hätten das in Ostdeutschland zum Beispiel überproportional viele Katholiken getan. Andererseits habe Papst Johannes Paul II. aus guten Gründen das geistliche Amt für unvereinbar mit politischen Ämtern erklärt. Ein "echter" Politiker dürfe ein Priester also nicht werden.
Auch auf die Globalisierung und ihre Folgen für die Kirche kamen die Jugendlichen zu sprechen. Im Grunde genommen, so Weihbischof König, sei die Kirche selbst der größte "Global Player", da sie weltweit vernetzt sei. Gerade dies fordere ihr aber auch ein besonderes entwicklungspolitisches Engagement ab: "Eine Aufgabe der Kirche ist es, da immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen: Lasst die Armen nicht noch mehr an den Rand geraten!" Sorge bereitet dem Bischof die Tätigkeit vieler so genannter evangelikaler Sekten in der Dritten Welt, etwa in Brasilien oder Nigeria. Diese verkündeten die falsche Botschaft: "Bekehre dich zu Jesus, und du wirst reich wie wir!" Tatsächlich bereicherten sich aber allenfalls die Prediger selbst, nämlich an den Spenden der Armen, die dann noch weniger hätten.
Ähnlich sieht dies Ute Koczy, grüne Bundestagsabgeordnete und entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Durch die evangelikalen Sekten, so erklärte sie den Attendorner Schülern, gebe es etwa in Nigeria viel "Sozialen Unfrieden", der die Entwicklungsprojekte der Politik und der großen Kirchen beeinträchtige.
Dass hingegen Hilfswerke wie Misereor ihre Berechtigung haben, steht für sie außer Zweifel: "Es wäre sehr schade, wenn sich die Kirche aus der Entwicklungsarbeit zurückziehen würde."