Pater Joachim bezieht Stellung gegen „Windindustrieanlagen“

Schliprüthen – Vor fünf Jahren zog Pater Joachim Wrede in das alte Pfarrhaus nach Schliprüthen. Sein Wunsch, kontemplativ-eremitisch leben zu wollen, führte ihn in die „Einsamkeit“ des kleinen Bergdorfes am Rande der Gemeinde Finnentrop. Kein Wunder, dass die Wahl auf den Mini-Ort fiel: Nicht weit entfernt befindet sich Kloster Brunnen, das 1705 von seinen Mitbrüdern gegründet wurde und mit dem er bestens vertraut ist.
Pater Joachim ist Mitglied des Kapuzinerordens, einer Gemeinschaft im Gefolge des hl. Franz von Assisi, die sich ursprünglich als „Minderbrüder vom eremitischen Leben“ bezeichnete.
„Wie die Kirche insgesamt, sind wir auf einem Weg der Reform. Da hilft es, zu den Wurzeln zu gehen, sowohl örtlich als auch von der Idee her.“ Impulse kontemplativer (Kontemplation = innere Sammlung und religiöse Betrachtung; Versenkung) Traditionen aus Christentum und anderen Weltreligionen sowie gesellschaftliche Herausforderungen – Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung – weisen ihm die Wege in eine gute Zukunft.
„Meditation führt dazu, tiefere Zusammenhänge zu verstehen. Die Menschheit ist dabei, ein neues Verhältnis zur Natur, zum Mitmenschen und zur großen Wirklichkeit, die in und hinter allem steckt, aufzubauen. Das bedeutet Hinkehr zur Natur, zum Menschen von heute und zu Gott.“
Pater Joachim „hilft“ als Pastor im Pfarrverbund Bigge-Lenne-Frettertal aus. Zum Team des Pastoralverbundes gehört der gebürtige Warsteiner allerdings nicht. „Am Anfang haben die Leute gedacht, jetzt hat Schliprüthen wieder einen Pfarrer. Als Ordensmann habe ich jedoch eine andere Position. Ich muss nicht ständig alle Leute im Blick haben. Orden sind eine Zugabe an die ordentliche Pfarrarbeit. Das ist durchaus ein Vorteil. Es ergeben sich für mich andere Möglichkeiten.“ Was „andere Möglichkeiten“ sind, konnten die Besucher der „Berg-Tabor-Messe“ in Weuspert (der Kurier berichtete) erleben.
2013 „geflüchtet“
In klaren Worten bezog der Naturliebhaber Stellung und warnte eindringlich vor der Industrialisierung Sauerländer Waldlandschaft. „Ich bin gegen nichts und niemanden. Nicht einmal gegen Windräder, obwohl ich nicht so leicht einen Ort auf der Welt nennen könnte, an dem man sie installieren kann. Ich bin auch nicht gegen einzelne Personen, die noch nicht erkannt haben, welche Schäden Windrädern dem Land, dem Menschen und der Natur zufügen. Bei uns konkret hier handelt es sich um eine weitflächig geschlossene Waldlandschaft, wo Windindustrieanlagen wirklich nicht hinpassen. Es mag pathetisch klingen: Ich möchte der Natur Raum und Stimme geben. Zu unserem eigenen Wohl und zum Wohl kommender Generationen sind wir verpflichtet, eine unbelastete Natur zu hinterlassen.“
Pater Joachim Wrede weiß, wovon er redet. 2013 „flüchtete“ er vor Windrädern.
1983 wurde er in Münster zum Priester geweiht, nach seiner Kaplanzeit in Mainz lebte und arbeitete er für 14 Jahre als Missionar in einem indianischen Gebiet Südmexikos. Nach seiner Rückkehr war er für drei Jahre im Kloster Stühlingen/Waldshut zuständig für Gäste, die in der Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern auf Zeit mitleben. Danach war er zehn Jahre im Kapuzinerkloster Dieburg/Darmstadt stationiert.
Klare Meinung
Dass er es später nur vier Monate in der Einsiedelei „Klus Eddessen“ in Ostwestfalen „aushielt“ – lag an Windrädern: „Ja, ich bin ein Betroffener und spreche aus eigener Erfahrung. Der Ort war einsam am Waldrand in hügeliger Landschaft gelegen, eigentlich ideal. Allerdings standen da 1000 Meter weiter sieben Windräder, die ich unterschätzt hatte. Ich kam nicht zur Ruhe. Nachts wurde ich plötzlich wach mit Beklemmungen auf der Brust. Ein eigenartiger, hintergründiger Ton verursachte einen ziehenden Schmerz an den Schläfen. Ich erklärte die Situation einem Naturwissenschaftler, der mir deutlich machte, dass ich empfindlich auf Infraschall reagiere. Der wird von Windrädern beim Zerschneiden der Luft produziert.“ Dem Kapuzinerpater wurde klar, dass er sich niemals daran gewöhnen könnte. „Mir blieb nur die Flucht. Und nun möchte man auch hier vor der Haustür damit anfangen. Das stimmt mich traurig. Eine der letzten Naturlandschaften Nordrhein- Westfalens würde durch Windindustrieanlagen auf den Bergen nachhaltig zerstört.“

Als Eremit in Schliprüthen beginnt Pater Joachims Tag morgens um 5 Uhr. „Der Weg in religiöse Innenerfahrung und die Weitergabe des kontemplativen Einstiegs in Religion und Leben braucht Zeit und Ruhe. Sitzgruppen vor Ort, in Dieburg und Warstein und die Möglichkeit, einzelne Menschen hier im Haus mitleben und meditieren zu lassen, erfordert Freiraum, Kreativität und Geduld.“
Von 5 bis 8 Uhr ist seine Hauptmeditationszeit, in der auch asiatische Anregungen Einzug gehalten haben. Warum hat sich der Eremit damals nach seiner Bundeswehrzeit für ein Leben in Stille und Einsamkeit entschieden? Die Antwort steht nicht im Lehrbuch, ist aber ehrlich: „Weil ich so gestrickt bin.“
Haus der Welt neu bauen
Pater Joachim will weiter der Natur eine Stimme geben. „Wir haben einen gesellschaftlichen Lebensstil entwickelt, der uns von der Natur entkoppelt. Das wird uns auf Dauer zum Verhängnis werden. Die ,Fridays-for-future‘-Bewegung ist ein wertvolles Signal, selbst wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Bewegung von Lobbyisten instrumentalisiert wird. Wir müssen das Haus der Welt neu bauen, es reicht nicht aus, nur Fenster oder Dachstuhl zu renovieren. Nationale Alleingänge gibt es da nicht.“
Da er als Ordensmann ja „andere Möglichkeiten“ hat, hat er zur aktuellen Windkraftdiskussion im oberen Frettertal eine klare Meinung: „Als Sauerländer mit Liebe zur Heimat, als Mensch und Christ, dem eine gute Zukunft der Menschheit am Herzen liegt, protestiere ich ausdrücklich gegen einen Bau von Windkrafträdern auf unseren Bergen und in unseren Wäldern.“