Doch wie kommt eine Sauerländer Schnitzerei in die USA? Josef Gothen, Jahrgang 1908, musste im Zweiten Weltkrieg kämpfen, war unter anderem im Norden Frankreichs stationiert. Dort erlebte er die Invasion der Alliierten, die mit dem D-Day ihren Anfang nahm und wurde von den Amerikanern in Kriegsgefangenschaft genommen. Als POW – Prisoner of War wurde er in die USA gebracht. Zunächst vermutlich in das Fort Sheridan, dann verlegt in das Camp Skokie Valley, nördlich von Chicago. Am 9. März 1945 kamen dort die ersten 225 Kriegsgefangenen an. „Nach der offiziellen Kapitulation Japans am 2. September 1945 wurde das Lager Camp Skokie Valley stillgelegt, ob der Abbau des Lagers Ende 1946 oder Anfang 1947 erfolge, ist unklar. Bis zu seiner Entlassung in die Heimat und seiner Rückkehr im März 1947 nach Würdinghausen muss er hier arrestiert gewesen sein“, so Ralf Löcker.
Im Camp war er als Küchenhilfe beschäftigt, fertigte in seiner freien Zeit Schnitzereien an. Im Camp Skokie entstand auch die Verbindung zur Familie von Bernhard Wädekin. John J. Pfeffer war Aufseher und Wärter im Camp Skokie. Mit deutschen Wurzeln beherrschte er die deutsche Sprache, war deshalb prädestiniert für die Arbeit im deutschen Gefangenenlager. John J. Pfeffer handelte mit Josef Gothen, für seine Schnitzereien gab er ihm Zigaretten – „die genaue Anzahl der Schnitzbilder ist nicht bekannt“, so Ralf Löcker. Die Zigaretten waren wertvoll im Camp, aber Josef Gothen habe sie sicherlich größtenteils auch selbst geraucht, so der Enkel.
Nach dem Tod von John J. Pfeffer – in der Familie nur „uncle Hanzi“ genannt – ordnete seine Ehefrau Luanne Pfeffer seinen Nachlass. Sie stieß auf das Schnitzbild, erinnerte sich an dessen Geschichte und fasste den Plan, es an die Erben des Künstlers zurückzugeben.
Über ihre Nichte Janice Connett entstand der Kontakt zu ihrem entfernten Verwandten Bernhard Wädekin und dieser machte Ralf Löcker ausfindig.
Doch war sein Großvater Josef Gothen wirklich der Schnitzkünstler? Als Ralf Löcker ein Foto des Schnitzbildes gesehen hatte, war ihm klar, das stammt von seinem Großvater. Im Familienbesitz befanden sich ebenfalls zwei Schnitzbilder des Opas, mit derselben außergewöhnlichen Rahmengestaltung. Das überzeugte auch Janice Connett und sie schickte das Schnitzbild nach Würdinghausen, zusammen mit einem lieben Brief – es folgte ein reger E-Mail-Wechsel und als Dankeschön ging ein großes Paket mit Sauerländer Leckereien in die USA.
Dazu tauchte noch eine zweite Schnitzerei auf: Luanne Pfeffers Bruder besaß ebenfalls ein Schnitzbild von Josef Gothen. Dieses sandte Janice Connett ebenfalls an Ralf Löcker. Die vier Bilder haben nun einen Ehrenplatz im Gartenhaus der Familie Löcker. Der Kontakt zu Janice Connett besteht immer noch, inzwischen ist eine Freundschaft entstanden.
Gesprochen hat Josef Gothen über die Kriegszeit und die Zeit in Gefangenschaft nicht oft, wie für viele seiner Zeitgenossen waren die Ereignisse wohl zu traumatisch. Seine Familie wusste lediglich, dass er als Gefreiter in der Nähe von Cherbourg stationiert war, und dass er als Kriegsgefangener in den USA war. Bei seiner Rückkehr aus Amerika im Jahr 1947 war er 39 Jahre alt, der gelernte Schmied arbeitet zunächst in der Schmiede von Josef ,Rammes’ Beckmann im Ort, später dann als Maurer und im Porphyr-Steinbruch in der Firma von Egon Behle sen. Und bis zu seiner Pensionierung in der Werkstatt von Bernhard Behle, Straßen und Tiefbau GmbH. Bekannt war er ebenso durch seine Tätigkeit im Kirchenvorstand, als Sänger im MGV Würdinghausen und Mitglied im Schützenverein. Am 31. März 1990 verstarb Josef Gothen mit 82 Jahren.
Seine Tochter Rita Löcker lebt mit ihrem Mann noch in Würdinghausen, ebenso wie Enkel Ralf Löcker. Die zweite Tochter von Josef Gothen, Ursula Zoppe, ist bereits verstorben.
Ralf Löcker würde gerne mehr über die Vergangenheit seines Großvaters erfahren, besonders über die Kriegszeit und die Zeit der Gefangenschaft. Er bittet um Hinweise und ist zu erreichen unter Tel. 02723/979739.