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Zeeshan Amad Qamar berichtet von seinem Einsatz in Belen

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Hilfe im Erdbebengebiet
Die Helfer von „Humanity first – serving mankind“ verteilten Mittagsmahlzeiten an die Menschen. © Privat

Zeeshan kommen im Gespräch die Tränen: „Es war heftig. Eine junge Frau erzählte mir, sie habe die Eltern und den jüngeren Bruder verloren. Ein Vater trauerte um Frau und Kinder. Er stammelte immer wieder: ,Ich kann sie nicht beerdigen‘.“ Zeeshan Amad Qamar, Mitglied der muslimischen Reformgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat in Altenhundem, berichtet von seinen Erlebnissen in Belen im türkischen Erdbebengebiet. Belen liegt 60 Kilometer nordöstlich von Antakya.

Das verheerende Erdbeben vom 6. Februar mit rund 60.000 Toten, unzähligen immer noch Vermissten und 250.000 zerstörten Häusern allein in der Südosttürkei ist aus den Medien weitestgehend verschwunden. „Ich habe Familie, unser zweites Kind ist unterwegs, ich kann schon aus meinem Glauben heraus nicht wegschauen, wenn ich helfen kann“, gibt Zeeshan als Motiv für seine aktive Hilfe in Belen an. Der 41-Jährige ist Zeitsoldat in Erndtebrück, lebt auch dort, ist aber aktives Mitglied von Ahmadiyya Jamaat Lennestadt.

„Unsere deutsche Gemeinde hat 1995 die international tätige Organisation ,Humanity first – serving mankind‘ gegründet. Dort bin ich Mitglied. Mitte Februar wurde ich gefragt, ob ich mit in die Türkei kommen kann. Mein Kompaniechef hat meinen Urlaubsantrag sofort genehmigt. Am 1. März sind wir von Frankfurt nach Antakya geflogen, dann mit Mietwagen nach Belen. Wir waren eine 15-köpfige Einsatzgruppe, darunter drei Köche, ein Polizist, IT-Fachmann, Verwaltungsangestellte. Wir sind aus Hamburg, Köln, Duisburg, Frankfurt – wir kannten uns vorher nicht, niemand hatte zuvor so etwas erlebt und gemacht.“

Hilfe im Erdbebengebiet
Zum Endes des Ramadan verteilte Zeeshan Amad Qamar Süßes an Kinder, um sie ein wenig zu trösten. © Privat

In Belen wurde mitgeholfen, eine Zeltstadt einzurichten. „Wir haben die Menschen verpflegt. Zunächst waren es bis zum 15. März 700. Als ich vom 15. bis 22. April wieder unten war, haben wir 12.000 Menschen jeweils mit Frühstück und Mittagessen versorgt. Mit 15 Mann. Das ging bis an die Grenze. Wir sind um 4 Uhr raus, haben Frühstück vorbereitet und bis 10, 11 Uhr ausgegeben. Dann bis zum späteren Nachmittag die Mittagsmahlzeiten. Danach haben wir aufgeräumt, gespült und sind zum Einkauf auf Märkte gefahren und haben alles für den Folgetag vorbereitet. Das wäre ohne Gottes Hilfe nicht möglich gewesen“, blickt der tiefgläubige Mann auf seinen Einsatz in Belen zurück. „Humanity first – serving mankind“ finanziert sich ausschließlich aus Eigenmitteln und Spenden.

Zeeshan Amad Qamar: „Alles, was wir gemacht haben, wurde von uns selbst bezahlt. Flug, Aufenthalt, Verpflegung, medizinische Versorgung, einfach alles.“ Er und seine 14 Glaubensbrüder haben einen „anonym von einem türkischen Unternehmer zur Verfügung gestellten“ Lkw auch zu Fahrten in die Umgebung genutzt: „Wir haben Hygieneartikel, Decken, Kleidung, was wir hatten in die umliegenden Dörfer gebracht. Viele Menschen leben dort unter schlimmsten Umständen, sie können gar nicht in die zentralen Orte kommen – also sind wir zu ihnen. Eltern baten uns um Verpflegung für ihre Kinder, den eigenen Hunger vergaßen sie völlig.“ Zeeshan weiter: „Was ich dort erlebt habe, hat mich zutiefst erschüttert. Eine Frau hat mir gesagt, sie habe eine Frau auf einem Balkon mit zwei Kindern gesehen. Dann nur noch eine riesige Staubwolke – das Haus war komplett eingestürzt, niemand konnte mehr lebend geborgen werden.“

Für den bald zweifachen Familienvater ist es der Glaube, der ihm Kraft gibt: „Ohne unseren Glauben an Gott vermögen wir nichts.“ Zunächst steht für ihn die eigene Familie im Vordergrund, wenn möglich will er aber weiter helfen. Für die Mitglieder von Ahmadiyya Jamaat Lennestadt ist Hilfe für andere nichts Ungewöhnliches: Der Vorsitzende Faiz Ahmad Saddique und weitere Männer aus der Gemeinde sind im August 2021 drei Wochen lang täglich ins Ahrtal gefahren und haben beim Aufräumen nach der Flutkatastrophe mitgewirkt. „Wir sind alle Deutschland“, steht an der Frontscheibe ihres Gemeindezentrums am Rathaus in Altenhundem. Faiz Ahmad Saddique: „Wenn wir können, helfen wir gern. Egal wo.“

Von Hartmut Poggel

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