„Lennestadt“, sagt er auf die Frage nach dem Woher. Sein aktueller Wohnort ist seit Start der Skisaison aber Söll in der Nähe von Kitzbühel. 3700 Einwohner, 4000 Gästebetten, das wuchtige Gebirgsmassiv des Wilden Kaisers im Rücken: Jeden Winter seit sich der seit wenigen Tagen 21-Jährige erinnern kann ging es mit den Eltern hierher zum Skifahren. Der Ort wurde zur Zweitheimat - und mittlerweile zum Arbeitsplatz. Zwischen November und Anfang April ist Greve, den alle hier nur „Schorschi“ nennen, als Saisonnier für die örtliche Liftgesellschaft im Einsatz.
Hinter seinem Rücken brummt ein Motor mit 500 PS. Unter ihm wühlen sich zwei panzerartige Aluketten durch den Schnee und schieben ein fünf Meter breites Metallschild vor sich her. Ein tieftöniges Vibrieren zeugt von den Kräften, die hier wirken. Insgesamt 13,5 Tonnen wiegt der „Pistenbully 600“, mit dem Greve unterwegs ist. Schon in seiner Lehre zur „Fachkraft für Agrarservice“ habe er seine Begeisterung für Traktoren und Bagger ausgelebt, erzählt er. Dieses Faible findet jetzt eben mit Pistenraupen seine Entsprechung. Dafür braucht es neben technischem Verständnis auch Feingefühl. Am meisten lerne man durch die tägliche Praxis und die Tipps älterer Kollegen, sagt Greve. Verständigungsprobleme mit den Tiroler Kollegen? „Nur noch bei manchen Dialektausdrücken“, lacht er.
Greve sitzt in einem luftgefederten Sessel und lenkt das Fahrzeug mit kleinen Fingerbewegungen den Berg hinauf. Ein Funkgerätekabel baumelt von der Decke, allerlei Zahlen blinken in Anzeigetafeln, zarte Nadeln tanzen über Tachoscheiben. Die Armatur erinnert an eine Mischung aus Spielkonsole und Flugzeugcockpit: Greves linke Hand bedient vier Knöpfe am Lenkrad und reguliert die Geschwindigkeit. Der rechte Arm liegt auf einem faustgroßen Hebel, mit dem er Fräse, Schild und die auf der Ladefläche montierte Seilwinde steuert.
Wird es nämlich zu steil oder kippt der Hang zur Seite weg, müssen die Piloten ihre Pistenraupen mit einem fingerdicken Stahlseil gegen ein Abrutschen sichern. Dann hakt Greve den Karabiner der Seilwinde an einem der insgesamt 50 im Gelände verteilten, sogenannten „Ankerpunkte“ ein und zieht das bis zu eineinhalb Kilometer lange Seil straff. Dieses System taugt auch, wenn es zusätzliche Zugunterstützung braucht, um den Schnee vom Tal wieder Richtung Berg zu schieben. Das hilft beim Spritsparen, denn die ohnehin schon gut 550.000 Euro teuren Pistenraupen sind durstig: Mindestens zwanzig Liter Diesel „schluckt“ der Sechszylinder pro Stunde. Der 300 Liter-Tank reicht meist nur für eine Nachtschicht.
Umsichtiges Fahren ist daher geboten. Ein ausgeklügeltes GPS-System hilft dabei. Auf Basis von im Sommer gesammelten Geländedaten wird auf einem Bildschirm in der Fahrerkabine zentimetergenau die aktuelle Schneehöhe unter der Pistenraupe auf eine Karte eingespielt. Mittels Farbskala zwischen grün und rot zeigt sie, wo ausreichend oder zu wenig Schnee liegt und die weiße Pracht also hin- oder weggeschoben gehört. Diesem System folgend, fahren Greve und Kollegen die 100 Hektar Pistenfläche des Skigebiets jeden Abend nach Liftschluss auf und ab, um den Skifahrern am nächsten Tage einen glatt gestreiften Schneeteppich bieten zu können.
In diesem Winter ist das gar nicht so einfach. Der Himmel war geizig. Es ist weniger Schnee als üblich gefallen, die Pisten sind nach den warmen letzten Tagen nicht selten nur noch weiße Bänder in einer ansonsten unverschneiten Landschaft. Untrügliche Zeichen, dass die Saison zu Ende geht. Ganz unglücklich ist „Schorschi“ Greve nicht. „Man freut sich dann doch wieder aufs Zuhause, die Freunde und Familie.“ Also wird er die Tiroler Berge in wenigen Wochen wieder hinter sich lassen und über den Sommer im Betrieb seines Vaters in Lennestadt seine Lehre zum Hufschmied abschließen.
(Von Klaus Höfler)