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Netzwerk gegen häusliche Gewalt erkennt starken Anstieg an Gewalt und Betroffenen

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Von: Christine Kluge

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Netzwerk gegen häusliche Gewalt Fakten Hilfe Betroffene
Präsentieren Zahlen und Fakten des Netzwerks gegen häusliche Gewalt (v.l.): Sabine Nosiadek (Gleichstellungsbeauftragte Kreis Olpe), Sylvia Rath (Frauenhaus), Anette Peifer (Frauenberatungsstelle), Michael Meinerzhagen (stellvertretender Opferschutzbeauftragter) und Michael Kopsan (Opferschutzbeauftragter der Kreispolizeibehörde Olpe). © Christine Kluge

Es ist ein Thema, das noch immer mit Scham belastet ist und die Dunkelziffern hoch sind - häusliche Gewalt. Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt des Kreis Olpe hat die aktuellen Fakten vorgestellt und hilft Betroffenen.

Kreis Olpe – Eigentlich klingen die Zahlen doch im ersten Moment ganz gut. 62 Prozent aller Delikte im Kreis Olpe werden aufgeklärt. Allerdings zählen Delikte der häuslichen Gewalt nicht dazu, da der Täter und das Opfer bekannt sind und eine Aufklärung somit nicht nötig ist.

„Die generelle Kriminalität ist gestiegen, aber es gibt auch einen starken Anstieg bei der häuslichen Gewalt“, erklärt Michael Kopsan, Opferschutzbeauftragter der Kreispolizeibehörde Olpe. „Woran das liegen kann, hat viele Ursachen. Generell hat die Gewaltbereitschaft zugenommen und sicherlich hat Corona auch eine große Rolle dabei gespielt.“ Dabei setzt sich die häusliche Gewalt aus vielen Delikten zusammen. Es geht von Bedrohung einmal durch das ganze Gesetzbuch, wie Kopsan berichtet. Die Top drei sind jedoch die vorsätzliche, einfache Körperverletzung, gefolgt von der gefährlichen Körperverletzung, bei der oftmals auch Gegenstände im Spiel sind, und Bedrohungen.

Häusliche Gewalt ist nicht privat, auch wenn sie sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Sie wirkt sich auf die ganze Gesellschaft aus.

Sabine Nosiadek

Wird die Polizei zu einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt gerufen , wird „in jedem Fall eine Strafanzeige gestellt“, da es kein Antragsdelikt ist. Außerdem wird ein sogenanntes Rückkehrverbot ausgesprochen. Das bedeutet, dass wenn der Täter im Haushalt lebt, er für zehn Tage diesen verlassen muss und nicht innerhalb der Frist zurückkehren darf. Kontrolliert wird es durch die Polizei. Außerdem sei ein Rückkehrverbot nicht diskutabel.

Auch Anette Pfeifer von der Frauenberatungsstelle findet das Rückkehrverbot mehr als nur „sinnvoll“: „Die Frauen können in diesen zehn Tagen zur Ruhe kommen. Wenn die Entscheidung jedoch bei der Frau liegen würde, ob der gewalttätige Partner verwiesen werden soll, hätte dieser Partner ein weiteres Druckmittel in der Hand. Das würde das Potential und die Gefahr erhöhen, wenn er nach zehn Tagen zurückkehrt. Außerdem ist es dann noch schwieriger, weil ja dann die Frau die Schuld an dem Verweis trägt.“

Allerdings ist auch die Dunkelziffer bei der häuslichen Gewalt noch hoch, erklärt Michael Kopsan: „Die Aufklärung ist zwar gut, aber die Dunkelziffer noch viel größer, weil häusliche Gewalt noch immer mit Scham befasst ist.“ Besonders wenn Männer betroffen seien.

2022 waren insgesamt 106 Männer von häuslicher Gewalt betroffen. Das seien laut Kopsan in den vergangenen Jahren deutlich weniger gewesen. Doch auch Kinder, Väter und Brüder zählen als Opfer, schließlich spielt sich häusliche Gewalt nicht nur zwischen Paaren ab, sondern ist auch innerhalb von Familien zu finden.

Überwachung des Handys der Freundin

Auch das Team der Frauenberatungsstelle spürt, dass die Zahl der von Gewalt betroffenen Frauen zugenommen hat. Der Bedarf an Beratungen sei 2022 deutlich gestiegen. „Vor allem hat die Zahl der Frauen über 60 deutlich zugenommen“, erklärt Anette Pfeifer. Diese Frauen hätten zu 90 Prozent physische, psychische und sexualisierte Gewalt erlebt. Doch vor allem steige die Zahl der digitalen Gewalt an. Dazu zählen unter anderem Stalking und die Handyüberwachung.

„Es werden Chats mitgelesen, die Ortslokalisierung muss eingeschaltet sein und auch der PC kontrolliert. Außerdem gibt es Mobbing und Drohungen im Netz. Deswegen legen wir bei Beratungsgesprächen gerne das Telefon in einen anderen Raum, damit der gewalttätige Partner nicht doch vielleicht mithören kann und sich die Frauen entspannen können“, sagt Pfeifer. Für Mädchen sei es heutzutage fast normal, dass ihr Partner das Handy kontrollieren wolle. „Ich hatte einen Fall von einem jungen Mädchen, das mir erzählte, dass ihr Partner ihr Handy kontrollierte und es für sie in Ordnung sei. Als ich danach fragte, ob sie denn auch in sein Handy sehen dürfte, verneinte sie.“

Die Frauenberatungsstelle erhält auch Informationen zu Opfern von häuslicher Gewalt von der Polizei. Diese werden öfters per Fax übermittelt, als per Mail. Dafür gibt es eine ganz einfach Erklärung von Michael Kopsan: „Ein Fax ist sicherer, als eine unverschlüsselte Mail zu verschicken, gerade wenn es dabei um sensible Daten geht.“

Von häuslicher Gewalt seien auch alle sozialen Schichten betroffen, wie Anette Pfeifer berichtet. Auch Ärzte vermitteln der Frauenberatungsstelle Betroffene, denn die Wartezeit für einen Platz für Traumatherapie kann bis zu zwei Jahre betragen. Die Frauenberatungsstelle versucht, diese Wartezeit zu überbrücken und kümmert sich auch nach einer Entlassung aus der Psychiatrie oder Therapie um betroffene Frauen. Für Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, gibt es die spezielle Männerberatungsstelle.

Weite Distanz bringt Sicherheit

Das Olper Frauenhaus hat im vergangenen Jahr Frauen aufgenommen, die zwischen 19 und 60 Jahre alt waren. „Der Schwerpunkt dabei liegt auf Frauen zwischen 26 bis 40 Jahren. Das ist genau die Familienphase und wir hatten auch überdurchschnittlich viele Kinder“, erklärt Sylvia Rath vom Frauenhaus.

Die Kinder seien dabei zu 58 Prozent bis zu fünf Jahre alt. Ältere Kinder dagegen würden häufiger ihre eigenen Entscheidungen treffen und sich nicht gerne von ihrem gewohnten Umfeld trennen. „Sie verlieren ihre Schulfreunde, wenn sie mit ins Frauenhaus kommen“, denn vor allem die Entfernung würde für viele Frauen Sicherheit bedeuten. Deswegen hat das Frauenhaus in Olpe auch Betroffene aus Hessen und sogar Sachsen. Dazu habe sich das Aufenthaltsjahr verändert. „Wir brauchen schon alleine mindestes ein halbes Jahr allein zur Wohnungssuche, die wir nach Siegen vermitteln, weil es in Olpe einfach keine bezahlbaren Wohnungen für betroffene Frauen gibt“, sagt Rath. Auch müsse oft noch die Frage des Aufenthaltsrecht geklärt werden.

„Häusliche Gewalt ist nicht privat, auch wenn sie sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Sie wirkt sich auf die ganze Gesellschaft aus. Kinder, die in einem Umfeld von Häuslicher Gewalt aufwachsen, sind laut Statistik später selbst oft gewalttätig oder Opfer“, erklärt Sabine Nosiadek, Gleichstellungsbeauftragte des Kreis Olpe. „Es ist wichtig, dass wir es sichtbar machen.“

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