Doch dort begann der „Albtraum“, wie Marion Keller es beschreibt. Nicht nur, dass sie nach eigener Aussage mit Schüttelfrost, zitterndem Körper und zunehmender Luftnot nach dem Blutabnehmen in einem kleinen, kalten Raum allein gelassen worden sei; als die Ärztin kam, sei ihr dann auch noch nicht geholfen, sondern sie sei mit Vorwürfen konfrontiert worden: „Mir wurde die provokante Frage gestellt, warum ich den Rettungsdienst gerufen habe. Ich habe erst gedacht, ich habe mich verhört. Aber dann sagte sie mir, dass Corona mittlerweile kein Grund mehr sei, ins Krankenhaus zu gehen. Auch meine Grunderkrankungen mit meiner Immunschwäche und der MS seien kein Kriterium, ebenso wenig wie das hohe Fieber. Mit so etwas ginge man nicht ins Krankenhaus. Es gäbe viel kränkere Menschen, die sie ablehnen würden.“
Marion Keller habe sich völlig „fehl am Platz“ gefühlt. Dabei habe sie solche Schmerzen gehabt, dass sie sich kaum bewegen konnte. Sich dann auch noch für die Situation rechtfertigen zu müssen, sei unverständlich gewesen.
Es sind Vorwürfe, die im Moment unkommentiert im Raum stehen, denn weder die Ärztin selbst, noch die Verantwortlichen des St. Martinus-Hospitals äußern sich detailliert auf Anfrage des SauerlandKurier zu diesem Fall. Vom Krankenhausträger – den GFO-Kliniken – heißt es lediglich, dass man vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme abgeben wolle.
Inwiefern die Bewertung der Ärztin also richtig oder falsch war, bleibt unklar – ebenso wie ihre Entscheidung, Marion Keller nicht stationär aufzunehmen, sondern sie wieder nach Hause zu schicken, damit ihre Corona-Erkrankung dort offenbar durch den Hausarzt weiter behandelt werden sollte. Mitentscheidend für die Bewertung der Olper Ärztin dürfte auch ein Röntgenbild von Marion Kellers Lunge gewesen sein. Dies sei ohne Befund gewesen, hieß es.
„Doch ich habe auf eine Aufnahme im Krankenhaus bestanden. Ich habe kaum Luft bekommen und brauchte Hilfe“, berichtet Marion Keller. Erneut sei sie allein und ohne Medikamente im Behandlungsraum der Notaufnahme liegen gelassen worden, um erst gegen 20 Uhr etwas zum Inhalieren zu bekommen, jedoch nichts, um das hohe Fieber zu senken. „Ich bin um 16.15 Uhr in der Notaufnahme eingeliefert worden und wurde stundenlang ignoriert.“ Dann habe die Ärztin versucht, einen Platz in Gummersbach, Siegen oder Altenhundem zu finden – letztlich erfolgreich.
Zu ihrem Glück kamen dieselben Sanitäter vom Rettungsdienst, die sie bereits am Nachmittag gebracht hatten. „Die beiden waren verwundert mich zu sehen und dass ich nicht behandelt wurde. Sie konnten es nicht glauben“, sagte Marion Keller. Selbst der Rettungsdienst habe zu ihr gesagt, dass sie „eine von Corona am schlimmsten betroffene Patientin seit langer Zeit“ gewesen sei.
Der Rettungsdienst brachte sie anschließend in die Notaufnahme des St. Josef-Hospitals in Lennestadt. Das sei nach Marion Keller ein „Unterschied wie Tag und Nacht“ gewesen. Sie wurde stationär aufgenommen, habe erste Medikamente bekommen, bevor sie am nächsten Morgen gründlich untersucht wurde. Dabei stellten die Ärzte im St. Josef-Hospital schnell fest, dass auf dem dort neu angefertigten Röntgenbild der Lunge eine schwere, beidseitige Lungenentzündung zu sehen sei. Dazu seien die Entzündungswerte in Marion Kellers Blut auch viel zu hoch gewesen. Zudem ist eine Rippenfellentzündung diagnostiziert worden.
„19 Tage habe ich stationär in Lennestadt gelegen. Die ersten fünf Tage habe ich Medikamente für chronisch Kranke mit schwerem Coronaverlauf bekommen. Dazu Kortison gegen die Atemnot.“ Auch Antibiotikum, um die Lungenentzündung zu behandeln, sei ihr gegeben worden. „Ich möchte mich ganz herzlich bei dem Personal des St. Josef-Hospitals bedanken, die sich so lieb um mich gekümmert haben.“
All dies verstärkt die Frage, ob die Ärztin in Olpe den Fall falsch bewertet hat und ob das Röntgenbild wirklich ohne Befund war. Grundsätzlich wäre dies denkbar, weil Coronainfektionen dafür bekannt sind, dass sich der Gesundheitszustand innerhalb weniger Stunden rapide verschlechtern kann. Aber bei so schweren Symptomen, die sie schon zu diesem Zeitpunkt hatte? Marion Keller ist überzeugt, dass die Lungenentzündung auf dem Röntgenbild in Olpe schon eindeutig sichtbar gewesen sein müsse.
Ein klärendes Gespräch zwischen den handelnden Personen steht bis heute aus. Dass es nicht geklappt hat, dafür geben sich Marion Keller und die GFO-Kliniken, zu denen übrigens nicht nur das Olper, sondern auch das Lennestädter Krankenhaus gehört, gegenseitig die Schuld. Womöglich wird der Fall nun ein juristisches Nachspiel haben.
Marion Keller jedenfalls hat ihr ganz persönliches Urteil schon gefällt. „Ich bin fassungslos“, sagt sie, „sollte ich so was noch mal haben und es mir so schlecht gehen, würde ich mich lieber mit letzter Kraft in einen Bus zwängen, um nach Siegen oder Lennestadt zu fahren, um bloß nicht noch einmal nach Olpe ins Krankenhaus zu kommen.“
Derweil haben Pfleger in ihrem Arbeitsalltag nicht viel Zeit. Ein Krankenhaus in Essen sucht aus diesem Grund ehrenamtliche Zuhörer für die Patienten.
Aber es gibt auch schöne Nachrichten aus Krankenhäusern: Eine Familie freute sich über ihr Drillingsglück. Die Mutter bringt drei gesunde Jungs auf die Welt - und das natürlich, ohne Kaiserschnitt.