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Diese Musikerin wollte sich immer verstecken - jetzt tritt sie ins Rampenlicht

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Von: Sebastian Schulz

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Jasmin Nell, 25, aus Olpe mit ihrer Gitarre, über die sie sagt, dass sie ihr Sicherheit gibt, weil „ich mich ein bisschen hinter ihr verstecken konnte“. ©  Julia Stamm-Ochel

Jasmin Nell hat keinen leichten Weg hinter sich. Psychische Probleme, Panikattacken, Depressionen begleiteten sie durch ihre Jugend. Aber eines hat ihr immer geholfen: die Musik.

Olpe – Jasmin Nell liebt ihre Gitarre. Wenn die 25-Jährige vor Menschen singt, dann gibt ihr ihre Gitarre ein Stück Sicherheit. „Ich habe das Gefühl, dass ich mich ein bisschen hinter ihr verstecken kann“, sagt Jasmin.

Jasmin Nell, wohnhaft in Olpe, lange dunkelblonde Jahre, strahlende Augen, wollte nie gesehen oder gehört werden. Sie war immer das kleine, stille Mäuschen, das in der Schule kaum ein Wort herausbrachte, wenn die Lehrer sie aufriefen, oder das in normalen Gesprächen in größeren Gruppen nie etwas beitragen wollte. Da war immer dieser Kloß im Hals, dieser Druck auf der Brust, dieses gefühlte Nein des Körpers, wenn Jasmin etwas loswerden wollte. Als schüchtern und zurückhaltend bezeichnen Außenstehende ein solches Verhalten. Die Wahrheit aber ist, dass Jasmin mit einer psychischen Erkrankung zu kämpfen hatte.

Schon als junges Mädchen wollte Jasmin Nell keinesfalls im Mittelpunkt stehen. Aber es gab eine Sache, die sie trotzdem gerne mit den Menschen teilen wollte: ihre Musik. Und vielleicht hat sie am Ende auch dazu beigetragen, Jasmins Dämonen in die Knie zu zwingen.

Sie ist zwölf Jahre alt, als sie von einer Klassenkameradin überredet wird, bei einer Schulveranstaltung in der Kreuztaler Stadthalle aufzutreten. 500 Leute im Publikum und Jasmin mit ihrer Gitarre auf der Bühne. Sie zittert am ganzen Körper, blendet alles aus. „House Of The Rising Sun“ singt sie. Großer Applaus im Publikum. Aber die Zwölfjährige ist froh, als sie die Bühne wieder verlassen kann.

Es ist eine schöne Erfahrung, aber nicht ihre Welt. Sie zieht in der Folge lieber ihr Kinderzimmer den öffentlichen Bühnen vor.

Mit 16 merkt sie, dass ihre Schüchternheit krankhaft sein könnte. „Irgendwas stimmt mit mir nicht“, denkt sie. Sie zieht das Abitur und ein Soziales Jahr durch, doch ihr Lehramtsstudium packt sie nicht mehr, weil sie im Alter von 20 Jahren erste Panikattacken erleidet – in Gruppengesprächen, in denen sie keinen Ton herauszubringen vermag oder beim Einkaufen, wenn zu viele Menschen im Laden sind. Als die Panikattacken schlimmer werden, diagnostizieren Ärzte, dass Jasmin an Depressionen leidet. Sie lässt sich in der Psychiatrie behandeln. Mehrwöchige Therapien, viele Medikamente, immer wieder Rückschläge. Was ihr immer hilft: die Musik.

Wenn sie eigene Lieder schreibt, dann ist das für sie ein Weg, ihre Gefühle auszudrücken. Sie schreibt viele traurige Lieder. Einem gibt sie den Namen Schwarz-Weiß. Es geht darin um den Dämon in ihrem Kopf, der ihr die Freude nimmt.

Mitten in ihren depressivsten Phasen sucht Jasmin mit Hilfe der Musik die Konfrontation mit ihren Ängsten. Sie kommt auf eine für sie aberwitzige Idee: rausgehen, sich an einen öffentlichen Ort stellen und Straßenmusik machen. Sie setzt genau das um. Zuerst in der Kreuztaler Fußgängerzone, in der zugegebenermaßen nicht wirklich viel los ist, aber das ist Jasmin eigentlich auch ganz recht. Sie stellt sich mit ihrer Gitarre in die Innenstadt, spielt Lieder wie „Almost Lover“ oder „A Thousand Years“ und tatsächlich: Passanten stellen sich vor sie, hören ihr zu, klatschen.

Wenig später fühlt sie sich bereit, ihre Musik noch mehr Menschen zu präsentieren. Sie fährt nach Köln, stellt sich ans Rheinufer, singt – und wird gehört. Sie wächst an diesen Erfahrungen.

Sie spielt auch während ihrer Therapie weiter. Alles gemeinsam scheint zu helfen. Seit Sommer vergangenen Jahres fühlt sich Jasmin, die inzwischen auch einen Schwerbehindertenausweis hat und ein Rehabilitationsverfahren durchläuft, wie ein neuer Mensch. Heute sagt sie: „Ich traue mich jetzt viel mehr. Ich habe gelernt, dass man nicht mehr so viel nachdenken muss, was andere Leute über einen denken. Dass man sich äußern darf.“

Über Social Media lernte sie vergangenes Jahr einen Musikproduzenten aus Krefeld kennen, mit dem sie einen eigenen Song aufnimmt. „Deine Nähe“ heißt das vor drei Wochen veröffentlichte Lied, das über diesen Link angehört werden kann und das mit Stand von dieser Woche rund 1000 Mal in 16 Ländern angehört wurde.

Mit einer freundlichen Mail wandte sich Jasmin nun auch an unsere Redaktion: „Seit einiger Zeit schreibe ich Songs, (deutscher Pop) und nun wurde meine allererste Single ,Deine Nähe’ auf den gängigen Streamingplattformen veröffentlicht. Ich würde mich freuen, meine Erfahrungen zu teilen und neue Menschen zu erreichen. Gern möchte ich Sie deshalb fragen, ob es möglich wäre, in einem Artikel im SauerlandKurier zu erscheinen.“

Es ist ein weiterer Schritt, mutig nach vorne zu treten und zu sagen: Jetzt möchte ich gehört werden.

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