Sterben die Wisente wieder aus?

Es war ein sehr ambitioniertes Ziel im Jahr 2003, als die Idee reifte, die ausgestorbenen Wisente wieder im Sauerland anzusiedeln. Es fing auch gut an, doch jetzt wird das Projekt „Wisente am Rothaarsteig“ beendet. Warum nur?
Zur Erinnerung: 1919 wurde der letzte Flachland-Wisent in Europa erschossen, 1927 folgte der letzte Berg-Wisent im Kaukasus. Damit waren freilebende Wisente ausgerottet. Internationalen Zucht- und Wiederansiedlungsprojekten in einigen Ländern Europas ist es zu verdanken, dass der Wisent-Bestand weltweit wieder mehr als 6000 Tiere umfasst. 25 von ihnen leben seit einigen Jahren im Sauerland und sind im Wittgenstein, im Hochsauerlandkreis und im Kreis Olpe unterwegs.
Doch nun ist das ambitionierte Projekt „Wisente am Rothaarsteig“ am Boden und soll beendet werden.
Grund: Der Trägerverein Wisent-Welt-Wittgensstein kann die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Weiterführung nicht schaffen. Das Wisent-Projekt war vor mehr als zehn Jahren auf Initiative von Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ins Leben gerufen worden.
Der Kreis Siegen-Wittgenstein teilte mit: „Da die Vorauassetzungen für ein auf Dauer angelegtes Ansiedeln der Wisente nicht gegeben sind, soll das Wisentprojekt jetzt abgewickelt werden – auch weil der Bundesgerichtshof die öffentlichen Dienststellen in die Pflicht genommen hat, den bisherigen Projektverlauf zu bewerten und daraus die notwendigen Konsequenten zu ziehen.“
Wir blicken zurück bis ins Jahr 2007: Das privat initiierte und getragene Wisent-Projekt wurde auch vom Kreistag des Kreises Siegen-Wittgenstein und der Kreisverwaltung befürwortet und auch finanziell unterstützt und begleitet. Insgesamt 350.000 Euro flossen vom Kreis an Förderungen, drei Millionen gab es vom Land.
Doch seit der Freisetzung der gigantischen Tiere – gut 1,80 groß und eine halbe Tonne schwer – zunächst in einem Eingewöhnungs- und Auswilderungsgehege 2013, war das Projekt trotz aller Begeisterung und Anerkennung auch mehr und mehr in die Kritik geraten, weil die Wisente durch das Abschälen von Baumrinden in Buchenbeständen insbesondere im HSK den Zorn der Waldbauern auf sich zogen. Diese waren sogar vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich. Letztlich haben die Gerichte diesen Waldbesitzern Recht gegeben und den Trägerverein verpflichtet, Maßnahmen einzuleiten, die geeignet sind, das Entstehen weiterer Schäden zu vermeiden.
Der Trägerverein hatte Mitte dieser Woche die Herde für herrenlos sowie die Kündigung der bisherigen Vereinbarung erklärt. Die Wildtiere unterliegen jetzt dem strengen Artenschutzrecht und fallen in die Zuständigkeit des Landes NRW.
Dies wiederum stimmt den Kreis Siegen-Wittgenstein nicht gerade froh: „Durch diesen rechtlichen Kniff will sich der Verein seiner Verpflichtungen entledigen....Der Verein will damit die Verantwortung für die Herde auf die öffentliche Hand überwälzen und zu Lasten der privaten Eigentümer eine Pflicht zur Duldung von Fraßschäden auslösen.“ Und weiter: „Dieses vertragswidrige Verhalten des Trägervereins werden die Dienststellen des Kreises Siegen-Wittgenstein und des Landes nicht auf sich beruhen lassen.“
Der Trägerverein unter dem Vorsitz von Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann bestätigte: „Der Wisent-Verein hat den ,Öffentlich-rechtlichen Vertrag’ gekündigt. Das war die letzte Möglichkeit, das Artenschutzprojekt zu retten und den Tieren eine Zukunft in Freiheit zu geben.“
Ob die Tiere nun weiter in Freiheit leben dürfen oder in andere Artenschutzprojekte gebracht werden, ist dabei noch offen.
Was hält der Landrat der besonders betroffenen Waldbauern, Dr. Karl Schneider, von dem überraschenden Ende? Er hatte dem Projekt immer kritisch gegenüber gestanden und findet, dass sein Kreis nie richtig mit eingebunden war. „Jetzt lassen wir erstmal rechtlich prüfen, ob so eine Herrenlosigkeit überhaupt einseitig erklärt werden kann.“ Und überhaupt: „Wir haben doch in diesen unsicheren Zeiten wirklich andere und dringendere Probleme!“