Sartres Text, noch im Weltkrieg geschrieben und 1947 verfilmt, spielt in einem faschistischen Staat. Er nimmt Märchenelemente für einen Denkversuch. Kann man seinem Schicksal entgehen? Da werden, psychologisch eher schlicht, philosophische Thesen überprüft.
Die Regisseurin Koua interessiert sich weniger für Gesellschaftstheorie als für den Beziehungsaspekt. Sie setzt auf Parodie und Verfremdung, macht aus dem Drama um verratene Revolutionäre und eine von einem habgierigen Schuft bedrohte Schwester eine überdrehte Seifenoper. Pierre und Eve werden von einem Moderatorenpaar begleitet. Antje Prust und Raphael Westermeier sind teuflische Drahtzieher, schlüpfen in alle Nebenrollen und lästern: „Es gibt sie noch, die Hetero-Romantik.“ Das traditionelle Bild von Beziehungen und Identität wird verabschiedet.
Die Aufführung hat Witz und Tempo. Sehr schön die Ouvertüre, eine Lightshow zu Techno-Klängen (Musik: Lutz Spira). Immer wieder gibt es aufgekratzte Einlagen, besonders von Prust und Westermeier, zum Beispiel wenn der Regent den Spitzel verhört. Im Stil einer Sado-Maso-Szene zieht Westermeier Prust den Schuh aus und leckt unterwürfig ihren Fuß, während sie ihm androht, ihn, falls er versagt, ihren „Alligator*innen zum Fraß“ vorzuwerfen. Da beschenkt uns die Inszenierung: Beim Thema Gendern kam Selbstironie bislang nicht vor. Wenn aber Sartres Text gegendert wird mit Aufrührer*innen und Genoss*innen, schwingt der leise Scherz dieser Szene mit. Hinzu kommt eine Fülle an popkulturellen Verweisen, von Schlagertiteln wie „Atemlos“ bis zum Filmzitat „Ich bin der König der Welt“, das Westermeier mit ausgebreiteten Armen nachspielt. Er fordert Prust auf, die Rolle eines Kerls zu übernehmen, und sie kommentiert: „Ah, toxische Männlichkeit...“ Während sich Eve und Pierre beim Kuss zu finden scheinen, formt das Jenseitspaar ein Handherz. Als die Liebenden versuchen, doch noch zueinander zu finden, und in Zeitlupenschritten aufeinander zueilen, lösen sich die Finger der anderen und zeigen an, dass es mit der Liebe doch nicht klappt.
Das ist am Ende etwas vordergründig, überzeugt aber durch die Spielfreude. Großer Beifall bei der Premiere.
25., 26.1., 2., 19.2., 5., 24.3., Tel. 0231/ 50 27 222, www.theaterdo.de