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Das Landesmuseum in Münster zeigt „Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft“

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Von: Ralf Stiftel

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Cappenberger Kopf (um 1150/60)
Der Cappenberger Kopf (um 1150/60) zeigt nicht Kaiser Barbarossa, sondern den Evangelisten Johannes. Zu sehen ist er in Münster. © Stephan Kube, Greven

Münster – Manchmal entschlüpft es auch der Kuratorin Petra Marx noch. „Barbarossakopf“. Sie weiß es besser, sie kennt die aktuellen Forschungsergebnisse zum „Cappenberger Kopf“, einer der schönsten und berühmtesten Goldschmiedearbeiten des 12. Jahrhunderts. Auch wenn es verlockend ist, in dem wohl geformten Antlitz mit der fein ausgearbeiteten Bart- und Haartracht den mythisch verklärten Herrscher zu erkennen, es stimmt nicht, wie unter anderem Materialuntersuchungen der letzten Jahre ergeben haben. Der Kopf war ein Reliquienbehälter, wahrscheinlich gestiftet vom Grafen Otto von Cappenberg für die Johannes-Kirche in Cappenberg. Damit freilich holt das Stück den deutschen Kaiser aus Schwaben doch wieder in die Region. Graf Otto war der Taufpate des Staufers.

Darum ist natürlich der Kopf zu Recht eines der Prunkstücke der Ausstellung „Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft“ im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. Zuvor war er gründlich erforscht worden. Zum Beispiel hatte man ihn geöffnet und die Reliquien darin untersucht, die Haare von Johannes dem Evangelisten, kostbare kleine Beutel und Stoffstücke und Zettel. Nun sind sie wieder im Kopf, aber Großfotos vermitteln einen Eindruck. Man kann auch vergleichen: Aus Hannover kam ein Kopfreliquiar von Johannes dem Täufer (2. Hälfte 12. Jahrhundert), das nicht so nuanciert gestaltet ist, aber motivisch erkennbar verwandt. Vermutlich wurden beide Stücke in Hildesheim geschaffen, das damals ein überregionales Kunstzentrum war.

Reliquienschrein in Form einer Basilika (um 1200) aus einer Rheinischen Werkstatt.
Reliquienschrein in Form einer Basilika (um 1200) aus einer Rheinischen Werkstatt. © Ralf Stiftel

Anlass der Ausstellung ist der 900. Geburtstag von Friedrich I. (1122–1190). Und so zahlreich die großen Mittelalterschauen der letzten Jahrzehnte auch waren, mit der schillernden, vielschichtigen, mythisch verklärten und nationalistisch missbrauchten Person hat sich noch keine Museum befasst. Der Untertitel ist bewusst doppelsinnig. Zum einen zeichnet Münster die Machtausübung nach, in der Friedrich ehrgeizig nach der Macht griff (so schaltete er seinen Cousin aus der Thronfolge aus) und blutige Schlachten schlug und auf dem Kreuzzug ins Heilige Land starb. Wenig heroisch, er ertrank im Fluss Saleph. Eine Miniatur in der sächsischen Weltchronik (14. Jh.) zeigt die Szene. Friedrich war allerdings ebenso Diplomat, profilierte sich als Vermittler in den Konflikten seiner Zeit, galt als humorvoll und selbstironisch.

Zum zweiten gibt die Schau einen Eindruck in eine Blütezeit höfischer Kultur, eben in die Kunst, die unter Friedrichs Herrschaft entstand. Das Mittelalter ist in Münster als bunte, auch feierfreudige Epoche zu sehen. Rund 120 Exponate sind in Münster opulent inszeniert, Leihgaben kommen aus dem Pariser Louvre, dem British Museum in London, dem Nationalmuseum in Kopenhagen, aber auch aus Pfarrgemeinden in Selm, Warstein und dem Dom-Museum von St. Patrokli in Soest.

Wie Barbarossa wirklich aussah, wissen wir nicht und werden es nicht erfahren. Es gibt Darstellungen, die zu seinen Lebzeiten entstanden, wie die Miniatur in einer Handschrift aus dem Augustinerstift in Marbach. Die Mönche dankten dem Herrscher damit für seine Protektion in einem heftigen theologischen Streit. Man sieht sogar den roten Bart, der Friedrich seinen Beinamen gab. Aber das ist Stilisierung, es gibt keine individuellen Gesichtszüge. Den Herrscher erkennt man an Krone, Zepter und Reichsapfel, den Insignien der Macht. Ähnlich ist es beim prachtvollen Armreliquiar für Karl den Großen (1165/73), das aus dem Louvre nach Münster kam. Hier sieht man den Herrscher und seine Gemahlin in Silber getrieben.

Armilla mit der Auferstehung Christi (um 1170/80) aus dem Louvre
Ein königliches Geschenk war die Armilla mit der Auferstehung Christi (um 1170/80), die aus dem Louvre nach Münster kommt. © Ralf Stiftel

Andere Objekte bringen Besuchern Barbarossa indirekt nah, zum Beispiel eine Albe, ein Kleidungsstück, das er wahrscheinlich der St. Janskirche in Utrecht schenkte, als Erinnerung an einen Besuch. Herrschaftliche Präsente war vielleicht auch die Armilla mit der Auferstehung Christi (um 1170/80), der prachtvolle Armschmuck ist eine weitere Leihgabe aus dem Louvre.

Zur Herrschaftskunst gehörte der Aufbau eines Netzwerks zu Unterstützern und Helfern. Friedrich beherrschte das, wie die Ausstellung in einem Raum vermittelt. Einer der wichtigsten Berater war der Abt Wibald von Stablo, der zum Beispiel zwischen dem Kaiser und dem Papst vermittelte, aber auch wichtige Kontakte zu maasländischen Goldschmieden hatte. Der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel begleitete Friedrich auf Feldzügen, unter anderem nutzte er den Sieg in Mailand zum Raub der Reliquien der Heiligen Drei Könige und deren Überführung nach Köln. Der Welfenherzog Heinrich der Löwe, Friedrichs Vetter, war zunächst ein wichtiger Verbündeter, wurde aber zum Rivalen, der unterlag. Ein Teil von Heinrichs Herrschaftsbereich ging als Herzogtum Westfalen an den Kölner Fürstbischof. Auch Hildegard von Bingen hatte Kontakte zu Barbarossa, ein Brief ist in der Ausstellung. Ein Altarbehang aus roter Seide (1220) aus ihrem Kloster Rupertsberg ist zu sehen, prachtvoll, obwohl die Silberfäden schwarz oxidiert sind. Erstmals wird hier Hildegard als Heilige dargestellt.

Ein weiteres Ausstellungskapitel zeichnet Barbarossas Ära als Zeit des Aufbruchs und der Öffnung. Der Kaiser korrespondierte sogar mit Sultan Saladin, wie die Kopie eines wohl 1172 verfassten Briefs belegt. Das Schachspiel, das ursprünglich aus Indien stammt, wird zum Exempel für eine Öffnung Europas. Ein pädagogischer Raum ist als Schachbrett mit Cartoon-Aufstellern von Barbarossa und Zeitgenossen gestaltet. Aber man sieht auch Schachfiguren, solche aus Bergkristall, die aus dem Nahen Osten importiert wurden, eine Schnitzarbeit aus Indien (um 1200). Weitere Spielsteine, chirurgisches Besteck, ein Handspiegel mit Liebespaaren zeugen von einer Lebenswelt, die sich von den klischeehaften Vorstellungen eines „finsteren Mittelalters“ abhebt.

Ein weiterer Saal richtet den Blick nach Westfalen, in dem zu Barbarossas Zeiten spektakuläre Kunst entstand. So sieht man auf einer roten Wand das monumentale, mehr als einen Meter hohe Bronzekreuz aus dem Dom zu Minden (um 1120/30), ein Hauptwerk aus der Werkstatt Rogers von Helmarshausen. Aus dem Mittelmeerraum stammt der Olifant aus dem Welfenschatz, ein mit Tierfiguren und abstrakten Ornamenten beschnitzter Stoßzahn (11. Jahrhundert). Es gib eine Fülle verschiedener Objekte, Buchmalerei, die schwere geschnitzte Rückwand eines Throns, das Vitus-Reliquiar aus Willebadessen. Der Vorderdeckel des Codex Aureus aus Freckenhorst (letztes Viertel 11. Jh.) kombiniert eine geschnitzte Elfenbeintafel mit filigraner Goldschmiedearbeit. Und auch die Scheibenfragmente aus dem Patrokli-Dom-Museum in Soest mit schreitenden Kriegern und dem Verhör des Patroklus (um 1160/66) zeugen von einer kulturellen Blüte in Westfalen.

Freier Eintritt am Eröffnungstag, 27.10., ab 18.30 Uhr,

bis 5.2.2023,

di – so 10 – 18 Uhr,

Tel. 0251/ 5907 201,

www. lwl-museum-kunst-kultur.de,

Katalog, Michael Imhof Verlag, Petersberg, 32 Euro

Das Museum bleibt geschlossen vom 31.10.–5.11. wegen des Treffens der G7-Außenminister

Ausstellungsteil in Cappenberg bis 5.2., di – so 10 – 17.30 Uhr

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