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Das Landesmuseum Münster stellt den Barockmeister Wolfgang Heimbach vor

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Von: Ralf Stiftel

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Wolfgang Heimbachs „Mahlzeitstillleben mit einer Magd hinter einem Fenster“ (1670)
Der gedeckte Tisch weckt den Appetit und die Schaulust: Wolfgang Heimbachs „Mahlzeitstillleben mit einer Magd hinter einem Fenster“ (1670) ist in Münster zu sehen. ©  Ute Brunzel/ Museumslandschaft Hessen Kassel

Münster – Man glaubt, das Brot anfassen zu können, so genau hat Wolfgang Heimbach in seinem Stillleben die Textur der Krumen, die braune Kruste erfasst. Der Wein schillert hell im Kelch, und mit Reflexen modelliert der Maler das Glas. Auch das schäumende, trübe Bier ist greifbar wiedergegeben, die durchgeschnittene Birne mit der Zeichnung des Kerngehäuses im Fruchtfleisch und der Fliege darauf. Effektvoll entfaltet der Künstler das Repertoire der niederländischen Schule, lässt Stücke abgeschnittener Schwarte und Käsekruste sich im Silberteller spiegeln, zeichnet die Schnittspuren an Käselaib und Schinken nach, arbeitet das Licht auf dem irdenen Krug heraus und die Falten der zerknüllten Serviette. Der Clou aber ist der Hintergrund: Da blickt eine Frau durch ein Fenster auf die Reste der Mahlzeit. Virtuos stellt Heimbach eine zerbrochene Scheibe dar, genau vor dem Auge der Magd.

Das „Mahlzeitstillleben“ von 1670 erweitert ein verbreitetes Motiv. Normalerweise sieht man keine Menschen in derartigen Darstellungen. Hier spricht der Künstler nicht nur mit Dingen unsere Sinne an. Er konfrontiert uns mit menschlichen Gefühlen. Ist die Magd hungrig? Oder blickt sie nicht in Wahrheit uns an, die beim Betrachten erwischt werden? Das Werk löst etwas aus. Zu sehen ist es im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kultur in Münster. In der Ausstellung „Wolfgang Heimbach. Ein Barockmaler an europäischen Höfen“ wird erstmals dem deutschen Maler eine Ausstellung gewidmet.

Seine Werke entstanden in den Metropolen Europas, in Rom, Prag, Kopenhagen. Heute findet man sie in der Tate Gallery London, im Louvre in Paris, aber auch in Münster und Oldenburg. Berühmt aber ist er nicht, und der Kunsthistoriker Horst Gerson tat Heimbach 1942 als „unselbstständigen deutschen Provinzmaler“ ab. Vielleicht wird ihm dieses Urteil nicht gerecht. Auch das sollen Ausstellungen im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg und eben in Münster überprüfen. Fünf Werke besitzt das Museum in Münster, zwei davon konnten in den letzten Jahren angekauft werden.

Sein Leben ist allemal interessant: Er wurde um 1613 (das genaue Datum ist unbekannt) als Sohn eines Höflings in Ovelgönne bei Oldenburg geboren. Er war von Geburt an gehörlos und stumm, lernte aber lesen und schreiben und beherrschte die deutsche, italienische und lateinische Sprache. Der Oldenburger Graf Anton Günther förderte den Knaben und verhalf ihm zu einer Ausbildung. Über viele Lebensstationen weiß man kaum etwas, wie Kuratorin Judith Claus festhält. So ist es angesichts seiner Bilder sehr wahrscheinlich, dass er mehrere Lehrjahre in den Niederlanden verbrachte, in Amsterdam, Utrecht oder Leiden vielleicht. Stilistische Ähnlichkeiten lassen vermuten, dass er beim niederländischen Maler Willem Cornelisz Duyster lernte, einen Beweis gibt es dafür nicht. Später lebte er mehrere Jahre in Italien, arbeitete am Hof in Prag, hatte eine Anstellung beim Oldenburger Grafen, fand nach dessen Tod eine Stelle am dänischen Hof. Heimbach starb 1679 in Osnabrück, wie Forschungen zur aktuellen Schau ergaben.

Während das Oldenburger Museum Heimbachs Leben und Werk unter dem Aspekt seiner Behinderung nachzeichnete, folgt die Münsteraner Ausstellung seinem Schaffen in einer Verbindung aus Chronologie und Geografie. Ein Künstler, der immer unterwegs war. Rund 100 Werke sind von ihm erhalten, 45 davon zeigt das Museum in Räumen, die den Lebensstationen folgen.

Er war ein Spezialist für kleine Formate, für Porträts und für die Darstellung von Stoffen. Aber er passte sich auch den Wünschen seiner überwiegend höfischen Auftraggeber an und schuf so ein erstaunlich vielseitiges Werk. Seine ganze Virtuosität kann man zum Beispiel in einer Bildnisminiatur entdecken, die seinen Förderer und kurzzeitigen Arbeitgeber Graf Anton Günther um 1665 zeigt. Das Werk ist gerade 17 Millimeter hoch, aber es zeigt den greisen Adligen ausdrucksvoll und realistisch.

Diese Kunstfertigkeit legte Heimbach schon im Gemälde „Vornehme Gesellschaft“ an den Tag, das er 1636/37 in Bremen malte. Gezeigt wird die Hochzeit des Goldschmieds Blum. Man sieht auf dem Bild den Notar, der den Ehevertrag aufsetzt und im Hintergrund wiederum den Grafen Anton Günther. Frappierend aber ist, wie Heimbach Stoffe schildert, den Faltenfall von schwerem Brokat, feine Zierstickereien und glitzernde Edelsteine und immer wieder Spitzenkragen.

Auf seinen Reisen durch Europa erhielt Heimbach immer wieder prestigeträchtige Aufträge. So porträtierte er Papst Innozenz X., und auch hier brilliert er in der minutiösen Ausarbeitung der Kleidung, in der feinen Ausführung des Gesichts. Andere Bildnisse sind der schwedischen Königin Christina gewidmet, dem Münsteraner Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen. Den dänischen König Frederik III. zeigt er im Kleinformat als Triumphator in der Schlacht von Nyborg, heute würde man sagen eine Fake News, denn der Herrscher hatte an dem Feldzug nicht teilgenommen. Ein Meisterstück ist Heimbachs Bildnis eines unbekannten Kaufmanns (1662), der abschätzig blickend vor einer Hafenszenerie steht. Und er malte immer wieder nächtliche Gegenlicht-Szenen in der Nachfolge Caravaggios, wo er souverän mit Lichtquellen im Bild spielt wie beim „Jüngling mit Kerze“.

Heimbachs Repertoire war viel breiter, und nicht immer überzeugt er. Er schuf eine extrem querformatige, monumental wirkende nächtliche Gasthausszene mit Bettlern (1655), die als perspektivische Darstellung eines Raums gar nicht funktioniert, sondern wie ein Puzzle aus Einzelszenen wirkt. Die kurzbeinigen Herren im Vordergrund wirken ein wenig wie Hobbits. Aber die Details, die das Thema der Barmherzigkeit umspielen, mögen den Auftraggeber zufriedengestellt haben. Er wagte sich auch an biblische Themen wie die Taufe Christi am Jordan (1679), in der allerdings die vielen Figuren nicht zu einer kompositorischen Einheit verbunden werden.

Dann wieder malte er eigenwillige Werke wie das Bild „Der Kranke“ (1669), das Mitgefühl mit dem Leidenden ausdrückt, der von seiner Familie umsorgt im Hemd auf einem Stuhl sitzt. Hier fehlt der humoristische Beiklang, den Bilder mit medizinischen Themen in der niederländischen Malerei sonst haben. Herrlich das „Kücheninterieur“ (1648), in dem der Hausherr Geld für einen Obstlieferanten abzählt und wo die unzähligen Zinnteller in den Regalen wie aufgereihte Taler den Wohlstand verbildlichen. Und sogar Frivolitäten hatte er im Repertoire wie im eigenartigen Bild der badenden Mädchen (um 1652), das ohne die übliche mythologische Verbrämung auskommt, einfach Nacktheit ausstellt und sogar ein lesbisches Paar zeigt.

Bis 4.12., di – so 10 – 18 Uhr, Tel. 0251 / 5907 201,

www.lwl-museum-kunst-kultur.de

Katalog, Sandstein Verlag, Dresden, 29 Euro

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