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„Subversives Design“ im NRW-Forum Düsseldorf

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Von: Achim Lettmann

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Demna Gvasalia hat für das Label Balenciaga „Foam-Platform-Sandals“ (2018) geschaffen, zu sehen in Düsseldorf.
Standfeste Crocs sehen anders aus. Aber Demna Gvasalia hat für das Label Balenciaga „Foam-Platform-Sandals“ (2018) geschaffen, zu sehen in Düsseldorf. © LVR_ZMB_A-Hiller

Die Label Balenciaga und Enfants Riches Déprimés sind hip. Ihre Crocs, T-Shirts und Mäntel sind begehrt. In Düsseldorf wird „subversives Design“ präsentiert.

Düsseldorf – Piep, piep, piep! Ein Roboter schlägt Alarm. Im NRW-Forum folgt das programmierte Transportvehikel einer blauen Linie, die am Boden des Ausstellungsraums zu sehen ist. Wer hier rumsteht, muss weichen oder kann sich was anhören – piep! Die Ladung des Roboters („Hello, my name is Luke!“) strahlt in Rosarot. Das Paar Plateau-Crocs wird mit niedlichen Aufsteckern wie Sternschnuppe, Mopsgesicht, Flagge, Blüten und der grünen Avocado belebt.

In der Düsseldorfer Ausstellung „Subversives Design“ nehmen die Schaumstoffklötze von Modedesigner Demna Gvasalia (40) eine besondere Position ein. Sie folgen dem Trend „Ugly Shoes“ und sind für mehrere hundert Dollar/Euros verkauft worden. Das Luxusmodelabel Balenciaga brachte „Foam-Platform-Sandals“ auf den Markt: Haute-Couture trifft Arbeitskleidung. Herausgekommen ist kostspieliges Street-Wear als High Fashion. Nun wird die Modemarke im Museum präsentiert. Ob allerdings diese High-Profit-Produkte noch zum subversiven Design, also zum kritischen Design zählen, ist diskussionswürdig. Denn mit den rosaroten Plateau-Crocs von 2018 zielt das Label Balenciaga auf ein international kaufkräftiges Publikum, das auffallen will und mit High Fashion gefühlt an Musikstars wie Justin Bieber, Kanye West und Beyoncé heranrückt.

Auch wenn Balenciaga mit Funktionen (von Schuhen), mit Design (bequem contra extravagant) und Marktmechanismen bricht, kalkulieren die Modemacher mit dem kommerziellen Erfolg im Segment der High Fashion Industrie. Dagegen will subversives Design, wie der Titel der Ausstellung heißt, auf Missstände hinweisen, Verhaltensmuster ändern und das bessere Neue beschwören. Letztlich wird die Hoffnung hier aber größer geschrieben als die gesellschaftspolitische Machbarkeit. Sichtbar wird vor allem die materialisierte Geste, wenn ein T-Shirt der Marke „Enfants Riches Déprimés“ (reiche, deprimierte Kinder) getragen wird, auf dem „Mickey Fucks Minnie“ steht. Zu sehen ist der passende Comic der Disney-Mäuse und ein Hakenkreuz. Es soll blanker Protest sein gegen das Establishment. Deshalb greifen immer wieder Pop- und Rap-Musik-Stars zu diesen Label-Produkten. Auch Miley Cyrus und Courtney Love.

Modedesigner Henri Alexander Levy aus Los Angeles weiß das. Er sagte in Düsseldorf, dass er gegen jede Form von Zensur sei, und die neo-liberalen Tendenzen in seinem Land verurteile er ebenfalls. Die Drogen habe er überwunden, aber bewusstseinserweiternd seien sie schon. So gibt er seinem Modelabel „Enfants Riches Déprimés“ seit 2013 Botschaften mit. Er entwirft T-Shirts mit Löchern und Brandflecken, Sweatshirts („America“ – Nährboden für Psychopathen, 2016), eine Galgenschlinge aus schwarzem Cashmere und „Manteau sans titre XIII“ (Mantel ohne Titel, 2016), die Sadomaso-Bilder zieren und Text bieten: „I am slang, you are school“ und „I am animal, you are not“. Für tausende von Dollar/Euros zu haben. „Die Stars lieben ihn“, sagte Alain Bieber, künstlerischer Leiter des NRW-Forums.

Am Ende gilt auch in Düsseldorf die Losung: Design bestimmt das Bewusstsein – mehr aber nicht.

Neben den internationalen Labels und ihren Designerstars spannt die Ausstellung „Subversives Design“ den Bogen zu Designerinnen und Designern, die in anderen Zusammenhängen arbeiten. Beispielsweise widersetzt sich Katerina Kamprani mit ihrer Serie „The Uncomfortable“ (2017) dem funktionalen Alltagsdesign. Ihr Rotweinglas ist kein Vergnügen. Wer hier die Nase reinsteckt, bekommt sie kaum wieder raus. Das ist schräg, humorvoll und sicher kein Verkaufschlager. Ähnlich funktionsarm ist auch die Bürste vom Label Bless. Seit 1997 spielen Ines Kaag und Desiree Heiss mit Materialien. Aus ihrer Bürste wachsen lange Haare. Und irgendwie stimuliert das Produkt ein kurioses Bürsten-Haar-Gefühl aus der dysfunktionalen Symbiose.

Neben subversivem Design, das die emotionalen Gebrauchsspuren herausfordert, überhöhen andere Entwürfe die Alltagsgegenstände zum Fetisch. Der Stabmixer (2018) von Stephan Friedli und Ulrik Martin Larsen, dem Duo Putput, hat anstelle eines Plastikgehäuses einen geschnitzten Holzkorpus. Eine amüsante Ansicht. Auch ihre Mikrowelle ist ein Hingucker. Anstelle einer Scheibe weist die Tür des Massenprodukts nun eine Friedenstaube in Bleiverglasung aus – wie im Kirchenfenster.

Körperliche Erfahrungen lassen sich mit den „Krabbelanzügen“ (2019) von Liora Epstein (30) machen. Geboren in Litauen bietet die Modedesignerin einen Trip. Es geht nicht um Selbsterhöhung sondern um Demut. Wer den Krabbelanzug aus Funktionsstoff anzieht, auf den Polyurethan-Beinschienen rutscht und sich auf die Filzgleiter an den Händen stützt, erlebt die Welt aus der Perspektive eines Hundes. Ein Experiment der Wahrnehmung. In Düsseldorf kriecht sie zeitweise durch das Ausstellungssystem, das nicht nur vom Roboter Luke dominiert wird, sondern vor allem aus Regalen besteht, die an Warenlager erinnern. Die Atmosphäre ist nüchtern. Die 20 Design-Positionen mit ihren Objekten sind gleichberechtigt präsentiert. Es gibt keinen Starkult.

Anna van Eck schafft „destabilisierte Alltagsgegenstände“, um soziale Interaktion zu fördern. Die Absolventin der Düsseldorfer Peter Behrens School of Arts hat einem Tisch die Beine genommen und unter der Platte ein abgerundetes Stemmbrett befestigt. Nun können zwei Personen die Tischplatte über ihren Oberschenkeln ausbalancieren. Beide sind für Harmonie zuständig, ansonsten rutschen die Teller und schwappt die Suppe über – „eine soziale Skulptur“. Van Ecks „Kreisel“ aus Kerzenwachs sind Symbole. Für die Produktdesignerin hat die Pandemie unsere Schnelllebigkeit gestoppt. „Im Kreisel drehen wir uns alle“, sagte sie in Düsseldorf. Wer die Wachserzeugnisse zünden will, muss zur Ruhe kommen. Einmal die Kreisel halten und sich selbst stabilisieren.

Bis 22.5.; di – so 11 – 18 Uhr, do 11 – 21 Uhr;

Tel. 0211/566 42 749; www.nrw-forum.de

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