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„Schwarze Moderne“ im Museum Pablo Picasso

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Von: Achim Lettmann

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Schwebendes Selbstporträt des Künstlers Chéri Samba.
Schwebendes Selbstporträt des Künstlers Chéri Samba. Das Gemälde „J’aime la couleur“ (Ich liebe die Farbe) von 2003 (Acryl auf Leinwand) ist in der Ausstellung „Schwarze Moderne“ des Museum Pablo Picasso in Münster zu sehen. © the jean pigozzi collection afrikanischer Kunst, genf

Pablo Picasso hat sich von afrikanischen Masken inspirieren lassen. Das Picasso-Museum in Münster zeigt auch, wie afrikanische Künstler auf diese Indienstnahme reagieren.

Münster – Pablo Picasso hat sich von afrikanischer Kunst mehr als seine Zeitgenossen inspirieren lassen. Nachdem er im Pariser Frühjahrssalon 1907 Aktbilder von André Derain und Henri Matisse gesehen hatte, besuchte er das Musée d’Ethnographie. Danach korrigierte er sein Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon“ und gab zwei Figuren maskenhafte Gesichter. Die scharf geschnittenen Konturen und die expressiven Nasen führten Picasso zu neuen Kompositionen seiner Malerei. Das Museum Pablo Picasso zeigt beispielhaft das Gemälde „Drei Figuren unter einem Baum“. Hier arrangierte Picasso den ganzen Bildraum mit Formen, die auf den geometrischen Impuls afrikanischer Masken zurückzuführen sind. Neben dem frühkubistischen Bild von 1907 sind noch zwei Studien (Gouachen) in Münster zu sehen, die auf das Gemälde „Drei Frauen“ (1908) verweisen. Es ist Picassos drittes Bild, das den Kubismus begründete.

Ohne die Kunst Afrikas ist die klassische Moderne nicht zu beschreiben. Das Picasso-Museum in Münster fragt nun nach dem Verhältnis von Picasso, Matisse, Léger, Man Ray und Hannah Höch zur afrikanischen Kunst. Also wie zeigen sich indigene Aspekte in Kubismus, Surrealismus und Dadaismus? Die Ausstellung „Schwarze Moderne. Afrika und die Avantgarde“ knüpft an die Restitutionsdebatte europäischen Museen an, die ihre Bestände auf Raubkunst untersuchen. Was kommt aus Afrika? Wie sind die Eigentumsverhältnisse? Was muss zurückgegeben werden? Das Picasso-Museum besitzt keine ethnologische Kunst. Kurator Alexander Gaude hat die Chance ergriffen, das Thema um einen Aspekt zu erweitern. Was sagen afrikanische Künstler vom Verhältnis der klassischen Moderne zur indigenen Kunst? In Münster sind einige Werke zu sehen.

Wie zum Beispiel Chéri Samba, der auf seinen Bildern auch schreibt. In dem Triptychon „Quel avenir pour notre art?“ fragt er, was macht unsere Kunst aus? Auf einem Bild steuert Samba neben Picasso im Gleichschritt auf das „Musee d’Art Moderne“ zu. Samba, 1956 im Kongo geboren, nutzt die junge Tradition stark farbiger Bildtafeln, die auf einer populären Malerei seiner Heimat basiert. Comicartig werden Botschaften in Szene gesetzt. Samba weiß, dass afrikanische Kunst nur als Ingredienz der klassischen Moderne in europäische Kunsthäuser kam. Er forderte 1997, dass Museen für zeitgenössische Kunst auch seine Bilder ausstellen. Auf einem Bild ist das Centre Pompidou in Paris zu sehen, ein Sehnsuchtsort für afrikanische Künstler, die am Kunstmarkt teilhaben wollen. Für seine Liebeserklärung an die Farbe hat Samba die Bildidee von M.C. Eschers „Band ohne Ende“ übernommen. Auf „J’aime la couleur“ (Ich liebe die Farbe) von 2003 verteilt sich sein Konterfei auf einem schwebenden Streifen wie im surrealen Vorbild aus dem Jahr 1956.

John Edmonds (32) dagegen reagiert gezielt auf eine Fotoikone Man Rays. Auf der Fotografie „Schwarz und Weiß“ (1926) ist Kiki de Montparnasses Gesicht hell gepudert neben einer schwarzen afrikanischen Maske zu sehen. Das Sinnliche des fein konturierten Munds weist den männlichen Blick Rays aus und inszeniert in Abgrenzung zur exotischen Maske, die schmal und hermetisch wirkt, eine trendige Erotik der Weimarer Zeit. Edmonds „Kopf der Frau“ (2018) ist dagegen keine Projektionsfläche. Das Model des New Yorker Fotografen sucht mit aufmerksamem Gesichtsausdruck den Blick des Betrachters. Sie hält eine mehrfarbige afrikanische Maske, die symmetrisch gestaltet ist und im Foto nicht durch Distanz zum Frauenkopf wirkt. Der Afroamerikaner Edmonds fragt mit seiner Kunst nach Identität und Bedürfnissen farbiger Menschen.

Pablo Picasso war von afrikanischer Kunst fasziniert. Seit 1907 sammelte er ethnische Plastiken vom schwarzen Kontinent. Die Kunstwerke, die in Münster ausgestellt sind, zeigen genau die Maskentypen, die auch Picasso erworben hatte. Die beispielgebenden Objekte stammen aus der Privatsammlung von Stephan Kuhnert. Wie der Maskentyp Kifwebe der Ethnie Songye, der unter der Nase eine spitzen Kussmund formt. Oder ein flächiges Beispiel der Ethnie Fang und die rundlichen Köpfe der Punu-Ethnie aus Gabun. Für Picasso lieferten sie Ideen. In Münster sind die grafischen Beispiele dazu ausgestellt.

Picasso zählte zu den Geldgebern der Dakar–Djibouti–Mission. Die Expedition, die 1931 bis 1933 vom Westen in den Osten Afrikas führte und Kult- wie Kunstgegenstände suchte und erwarb, ist ein Beispiel für die systematische Aneignung indigener Kunst.

Insgesamt bietet die Ausstellung 80 Exponate. Neben Samba und Edmonds sind Gonçalo Mabunda (Mosambique) und Maître Syms (Kongo) vertreten. Ihre Werke stammen aus der Sammlung des Franzosen Jean Piggozi.

Die Ausstellung greift eine Auffassung Paul Gilroys auf. Der britische Soziologe sieht im „Black Atlantic“ nicht nur den Weg der Sklavenschiffe im 16. bis 19. Jahrhundert, sondern auch den Kulturaustausch mit der Karibik und Nordamerika. Diese interkulturelle Bewegung ist für Kurator Alexander Gaude ein positiver Aspekt – abseits des unsäglichen Leids der Sklaverei. Während der Arbeit zu dieser Ausstellung habe ihn überrascht, wie sehr die Formen der afrikanischen Kunst die westliche Avantgarde des 20. Jahrhunderts beeinflusst habe. Für Gaude ist die afrikanische Kunst ein Teil unseres kulturellen Erbes.

Bis 1.5.; di – so 10 – 18 Uhr; Tel. 0251/4144 710; www.kunstmuseum-

picasso-muenster.de

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