Merkel als Vermittlerin im Ukraine-Krieg? Melnyk hofft auf „bestimmte Rolle“

Angela Merkel hält sich derzeit weitgehend aus der Politik zurück. Sollte sie als Vermittlerin im Ukraine-Krieg agieren? Botschafter Melnyk meint: „Noch nicht jetzt, irgendwann.“
Berlin - Der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk ist bekannt für kontroverse Aussagen. Seine diplomatischen Forderungen etwa nach mehr Waffenlieferungen garnierte der Diplomat regelmäßig mit Kritik an der deutschen Politik. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete er als „beleidigte Leberwurst“, weil er nach Kritik aus Kiew an Bundespräsident Steinmeier nicht in die Ukraine reisen wollte. Auch Scholz‘ Vorgängerin Angela Merkel griff Melnyk immer wieder öffentlich an.
So sei Merkels Politik mit Blick auf einen Nato-Beitritt der Ukraine ein historischer Fehler gewesen. „Die Ausreden der Kanzlerin a.D. zu ihrer kategorischen Ablehnung der Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine 2008 sind absurd“, sagte Melnyk im Juni dem Tagesspiegel. Nach Merkels erstem großen Fernsehauftritt nach Ende ihrer Kanzlerschaft erkannte der Diplomat „keinen Hauch Selbstkritik“. Nun scheint sich Melnyk Merkel aber als Vermittlerin im Ukraine-Krieg vorstellen zu können.
Merkel als Ukraine-Vermittlerin? Melnyk sieht „bestimmte Rolle“ für Ex-Kanzlerin
„Ich glaube, Frau Merkel könnte, wenn sie nur wollte, an einem bestimmten Punkt des Krieges – noch nicht jetzt – irgendwann eine bestimmte Rolle spielen“, sagte Melnyk dem Spiegel. Melnyk habe den Eindruck, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Merkel noch immer respektiere. „Deshalb könnte Frau Merkel durchaus ihren Beitrag leisten in dem Augenblick, wo Putin nach einer Exitstrategie sucht.“
Er hoffe, dass Merkel ähnlicher Meinung sei und sich daher nicht völlig aus dem Politischen zurückzöge. Seit der Bundestagswahl 2021 hat Merkel nur noch wenige öffentliche Auftritte, sie ist bei vereinzelten Veranstaltungen zu sehen – hat aber keine politische Aufgabe innerhalb der CDU.
Merkel äußerte sich bislang nicht zu Melnyks Ideen. Mitte Juni sagte sie in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf die Frage, ob sie als Vermittlerin für eine Lösung in dem Konflikt zur Verfügung stehen würde: „Diese Frage stellt sich derzeit nicht.“ Gleichzeitig räumte die 68-Jährige ein, dass ihr Einfluss auf Putin kurz vor Amtsende geschwunden sei. Bei einem Auftritt im Berliner Ensemble hatte sie wenige Tage zuvor zu dem Thema gesagt: „Ich habe nicht den Eindruck, dass das im Augenblick etwas nützt.“
Ukraine-Verhandlungen: „Habe nicht gehört, dass Deutschland ernsthaft dazu bereit wäre“
Melnyk und andere ukrainische Diplomaten sehen das anders. Der ukrainische Generalkonsul in München, Yuriy Yarmilko, sprach im Interview mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA von „guten Erfahrungen“ der Ukraine mit Verhandlungsvermittlern. Yarmilko nannte den türkischen Präsidenten Erdogan und seine Rolle im Weizen-Abkommen mit den Vereinten Nationen, sprach aber auch von der deutschen Politik. Theoretisch könnte die Bundesregierung im Ukraine-Krieg vermitteln. „Aber bis jetzt habe ich nicht gehört, dass jemand aus Deutschland bereit wäre, diese Rolle ernsthaft zu übernehmen.“

Schröder als Ukraine-Vermittler? „Er hat seine Chance vertan“
Immer wieder als Vermittler gehandelt wurde auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Er pflegt enge Beziehungen zum Kreml und besitzt Posten bei russischen Konzernen. Schröder reiste während des Krieges nach Moskau, als Vermittler für ein Ende der Gefechte trat er dabei jedoch nicht in Erscheinung. Melnyk, der als ukrainischer Botschafter abbestellt worden ist, glaubt nicht an eine Vermittlerrolle des Altkanzlers: „Schröder hatte bereits seine Chance, hat sie aber vertan.“ (as)